Gründungssage der Sylvesterkapelle

In der Debant bei Lienz steht unweit der Glocknerstraße ein schmuckes, kleines Kirchlein mit aufgesetzter Laterne, Zwiebelhelm und Knauf auf einem achteckigen Grundriss. Es ist dem Viehpatron der Vornehmen, Papst Sylvester, geweiht, zum Unterschied vom hl. Leonhard, der nur vom einfachen Manne Viehsorgen entgegennahm. An der südlichen Außenwand ist das Kirchlein wie folgt monogrammiert: " D.S.S. SYLVESTER G.S." und trägt die Jahreszahl 1670. Das Altarbild im Inneren zeigt Papst Sylvester in vollem Ornat auf Wolken thronend; gütig lässt er seine Augen auf zwei unter ihm knienden Stiftern ruhen: links ein vornehmer Mann in der Tracht eines Brixner Ministerialen (D. Sternbach), diesem gegenüber ein stattlicher alter Bürger in der Tracht des Lienzer Talbodens (G. Staudach); zwischen beiden Männern ein Ochse.

Altar in der Sylvesterkapelle © Maria Halbfurter
Der barocke Altar in der Sylvesterkapelle, Debant (Osttirol)
in der oberen Bildhälfte der heilige Papst Sylvester
© Maria Halbfurter, April 2006

Wir wollen jetzt, da uns die Pfarrchronik keinen Aufschluss über den Bildinhalt zu geben vermag, einer noch nicht ganz in Vergessenheit geratenen Sage lauschen: Sowohl der Pfleger aus Nußdorf –Grafendorf als auch der Staudacher aus Nußdorf-Debant ließen alljährlich ihr Vieh in die saftigen Weidegebiete der Debant Almen auftreiben. Es ergab sich nun eines Sommers, dass die beiden unter anderem je einen Ochsen zu ihrer Herde zählten, die einander glichen wie ein Ei dem anderen. Der Zufall wollte es, dass sich an einem heißen Sommertag einer dieser beiden Ochsen zu Tode stürzte. Niemand konnte mit Bestimmtheit sagen, aus wessen Besitze er stammte. Wer hatte nun den Verlust zu tragen – der Sternbacher oder der Staudacher? Erbost stritten die Männer eine Zeit lang hin und her, denn jeder erhob Anspruch auf den noch lebenden Ochsen. Die mehrmals befragten Sennen widersprachen sich in ihren Aussagen, so dass ein Prozess unvermeidlich schien. Endlos hätte dieser gedauert. Unsummen verschlungen, aber letzten Endes doch kein befriedigendes Resultat erbracht.

Sylvesterkapelle Debant © Maria Halbfurter
Sylvesterkapelle Debant, Osttirol
© Maria Halbfurter, April 2006

Nach einer langen, harten Aussprache beschlossen die Streitenden, sich zu versöhnen, den Schaden gemeinsam zu tragen und mit dem Erlös für den toten und den lebenden Ochsen die erste Stiftung für ein der Allgemeinheit dienendes Heiligtum in der kirchenleeren Debant zu machen. Bauernfleiß und andere Opfer der frommen Gemeinde vollendeten den Bau jenes Sylvesterkirchleins, in dem bis heute Messopfer dargebracht werden und das durch seine gefällige Form und Sauberkeit das Auge des Wanderers erfreut.

Worterklärungen

Knauf: im Mittelalter Bezeichnung für romanische Säulenkapitelle, besonders Würfelkapitelle. Heute bezeichnet Knauf ein kugel- oder knopfartiges Zierstück, z. B. Turmknauf, auch den Schwert-Schirm- oder Stockgriff.

Senner: Almhirte

Quelle: Gründungssage der Sylvesterkapelle, Aufgezeichnet von Johanna Tautscher; Isabell Gaisch, Christina Gumpitsch, Jasmin Lindner, Nadine Salcher, Manuela Lengfeldner, Teresa Jeller, Marlene Indrist; Die Sage wurde gefunden im Buch "Die schönsten Sagen Osttirols" von Maria Kollreider-Hofbauer, Klasse 4a, Lehrerin: Maria Halbfurter; VS-Debant Pestalozzistraße 2, 9900 Nußdorf-Debant, Emailzusendung vom 7. April 2006