Die Geisterkirche
Einer Magd zu Teiß [Teis] kam einmal an einem Sonn- oder Festtage
fortwährend vor dem Betläuten vor, als sie noch halb träumte,
es läute vom Kirchturm zum Gottesdienst. Die Angst, sie versäume
die Frühmesse, erweckte sie ganz; eilig stand sie auf, kleidete sich
an und ging sofort der Kirche zu; die Kirchtüre stand offen, und
die ganze Kirche war gedrängt voll Leute. Auf einmal sieht sie ihre
verstorbene Base. Dieselbe geht auf sie zu, mahnt sie, sie solle sich
alsogleich entfernen und auf dem Friedhofe ein Stück Kleid zurücklassen.
Sie geht und läßt auf dem Friedhof das Hemd zurück. Als
die Leute dann wirklich morgens zum Frühgottesdienst kamen, sahen
sie auf jedem Grabe ein Stück Hemd liegen. Das hatten die Geister
zerrissen. Hätte jene Magd ihr Hemd nicht auf dem Kirchhof zurückgelassen,
so wäre sie selbst zerrissen worden.
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 374.