Die feindseligen Weiber
Zu Teiß [Teis] lebten einstmals zwei Weiber, Nachbarinnen, die waren einander spinnefeind und taten einander alles zum Trotz, ja taten sich voll Herzleid an. Sagte die eine hüll, sagte die andere hott. Die Priester hatten ihnen zugeredet, herzbewegend zugeredet, sie sollten sich doch einmal miteinander aussöhnen, aber vergebens; die Nachbarn hatten sie auch ermahnt und nicht nur einmal, aber es hat nichts genützt. Endlich erkrankte die eine, und zwar tödlich. Schon fühlte sie den kalten Tod in ihren Gliedern; da ließ sie ihre Feindin zum Krankenbette kommen, streckte ihr die schon kalte Hand entgegen und sprach mit schwacher Stimme: "Verzeihe mir, wie ich dir verzeihe!"
Beim Anblick der Todkranken schürte erst recht der Teufel die Flamme des Zornes in dem Herzen der Gesunden an. Voll Ingrimm, mit unheimlich blitzenden Augen, gab sie belfernd zurück: "Stirb, Luder! Ich verzeih' dir nicht!"
Die Todkranke sah es, hörte es und sprach mit röchelnder Stimme:
"Nun, dann verzeih' ich dir nicht", kehrte sich um und jener
den Rücken zu und hauchte unselig ihre Seele aus. Nach dem Tode aber
kam sie als Geist und drehte der noch Lebenden den Hals um.
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 372.