Die Wildfrau auf dem Lambrechtskogel

Vor vielen Jahren lebte in Waisenberg ein Bauer, der sehr arm war, aber viele Kinder besaß und in seiner Not nicht mehr wußte, wie er die Seinigen ernähren sollte. Eines Tages begab er sich auf den nahen Lambrechtskogel, um in dem Kirchlein, das auf der Höhe steht, zu beten. Wie er nun mit gefalteten Händen da kniete, erschien plötzlich eine schöne Frau und winkte dem Bauer, ihr zu folgen. Dann führte sie ihn in eine Höhle, wo funkelndes Gold in Haufen lag, und sprach: „Ich habe von deiner Gottesfurcht und Ehrlichkeit gehört. Damit deine Not ein Ende habe, geb’ ich dir diese zwei Haufen Gold, aber unter der Bedingung, daß du nur alle Samstage eine Faustvoll davon nimmst.“ Der Bauer war nun mit seiner Familie des Elends enthoben und lebte auch weiterhin in Gottesfurcht.

Doch da ward im nahen St. Georgen Kirchweih gefeiert und er dachte sich tags vorher: Heute nehme ich zwei Fäuste Gold, dafür aber am nächsten Samstag nichts. Fröhlich verbrachte er den Kirchtag und gönnte sich und der Familie einen besonderen Trunk zur Feier des Tages. Als er aber am nächsten Samstag wieder Gold holen ging, waren die Haufen verschwunden. So hatte er sich durch eigenes Verschulden wieder in Not gestürzt und mußte wie vorher mit schwerer Arbeit sein Leben fristen.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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