Der Wassermann des Wörthersees

In den heißen Tagen des Juli und August sucht man gerne die erquickende Kühle eines Bades auf und der Schwimmer fühlt sich in einem See am wohlsten. Leute, welche wegen der Arbeit tagsüber nicht baden können, gehen in der Dämmerung oder bei Mondschein nachts ins Bad, wie das bei Knechten und Mägden vorzukommen pflegt.

Auch eine junge Dirn, die bei einem Pörtschacher Bauer im Dienste stand, ging an einem Samstagabend allein in den Wörthersee baden. Sie mochte schon eine Weile im Wasser gewesen sein, als sie plötzlich von der Mitte her etwas heranschwimmen sah. Der See warf hohe Wellen und mit riesiger Eile nahte sich der Schwimmende. Sie erkannte an dem Schilfkranz in den Haaren und dem grünlichblassen Gesicht den ihr so häufig geschilderten Wassermann. Schreck und Angst erfaßte sie, und wie sie war, lief sie ihrem Wohnhause zu. Atemlos erreichte sie es, trat durch die Haustür und schlug sie gleich hinter sich zu, daß sie in Schloß und Riegel fiel. Kaum war dies geschehen, vernahm sie auch schon den Wassermann vor der Tür, durch die er nicht eintreten konnte, weil ihm ein C+M+B+ den Eingang verleidete. Der Wassermann, gewohnt, alle Jahre ein paar hübsche Mädchen in sein kristallenes Schloß am Seegrunde zu ziehen, hatte diesmal das Nachsehen. Das Madchen aber war zum letztenmal im See baden gewesen.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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