Überfahrt der Seelen

In St. Oswald bei Maria-Elend führt eine Fähre über die Drau. Einmal lag der alte Fährmann in tiefem Schlafe. Da kam es ihm vor, als hörte er sich vom anderen Ufer anrufen. Die Nacht war stürmisch und die Drau ging hoch. Daher überlegte er einige Zeit, ob er es wagen sollte, hinüberzufahren. Es gab ihm jedoch keine Ruhe und so stand er auf und fuhr, der Gefahr trotzend und mit den Wellen kämpfend, über den Fluß. So sehr er sich auch bemühte, den Rufer zu entdecken, es war niemand da und kein Laut gab Antwort auf seine Rufe. Enttäuscht stieg er wieder in das Boot und fuhr zurück. Mit harter Mühe - das Boot schien ihm viel schwerer als früher - kam er zurück. Er hängte es an einen Baum und legte sich wieder schlafen. Als er am nächsten Morgen zum Boote kam, machte er große Augen. Der Boden war mit Gold bedeckt. So hatten die Seelen ihm die Überfahrt gelohnt.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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