Totenritt

Es war einmal ein Mädchen, erzählt man um Timenitz, dieses hatte einen Geliebten, der war Soldat und weilte viele Meilen weit von ihr. Durch lange Zeit ohne jegliche Kunde, wähnte sie ihn gestorben. Trauernd legte sie im Garten ein rundes Beet voll Vergißmeinnicht an, in die Mitte pflanzte sie eine Rose. Da fand sie sich jeden Morgen und Abend ein, um die Blumen zu begießen und ihres Geliebten zu denken.

Jahre vergingen. Wieder saß sie einmal im Garten und band gerade mit einem grünen Faden den Strauß zusammen, welchen sie fertig gewunden hatte, da erschien ein Offizier an der Gartentür und rief ihr zu: „Annamiedl! gib mir den Buschen! kennst mi denn nit?“ - „I kenn' di nit“, gab das Mädchen zur Antwort, „der Buschen aber g’hert mein’ Herzliebsten.“ - „Der bin ja ich, schau mi nur ordentlich an“, erwiderte der Soldat. Das Mädchen blickte ihm ins Gesicht und erkannte den Geliebten und fiel ihn, um den Hals.

Die Freude währte nicht lange, der Geliebte mußte wieder zu seinem Dienst zurückkehren. Beim Abschied sagte das Mädchen zu ihm: „Vom heutigen Tage an über sieben Jahre hole mich ab, ob tot oder lebendig.“ Der Offizier versprach's und zog dann weiter.

Unterdessen war ein Krieg ausgebrochen; auch der Offizier rückte ins Feld und fiel. Auf dem Friedhofe eines fernen Dorfes wurde er begraben. Als nun die sieben Jahre um waren, erschien einmal des Nachts ein stattlicher Reiter auf weißem Rosse vor dem Hause des Mädchens. Er klopfte ans Fenster und lud sie ein, ihm zu folgen. Ihren Geliebten erkennend, erinnerte sie sich seines Wortes, machte sich auf und ritt mit ihm fort. Sie ritten über Berg und Tal, durch Feld und Wald, wohl über sieben Pfarren weit. Unterwegs sprach der Reiter auf einmal: „Der Mond, der scheint so hell, die Toten reiten schnell; Diendle, fürchtest du dich?“ Sie gab ihm zur Antwort: „Wie soll ich mich fürchten, bist ja du bei mir, Herzallerliebster mein.“ Nach einer Weile fragte er sie wieder, sie antwortete wie früher. Jetzt kamen sie in die Nähe eines Friedhofes, wilder wurde der Weg, das Roß begann zu schnauben, und das Mondlicht schien auf des Reiters leichenfahles Antlitz. Er fragte jetzt wieder, ob sie sich fürchte, da ergriff sie ein „Grausen“, daß sie es nicht länger auf dem Pferde auszuhalten vermochte. Ehe sie sich's jedoch versah, waren beide mit einem raschen Satze des Pferdes über die Mauer in das Innere des Friedhofes gelangt. Ein offenes Grab lag vor ihnen. In ihrem Schrecken raffte sie jetzt alle Kraft zusammen, riß sich los und stürzte von dannen, indes Roß und Reiter hinter ihrem Rücken in der Tiefe des Grabes verschwanden.

Nach langem Wandern erreichte sie schon am hellichten Tage ihres Vaters Haus. Aber sie ward von da an ihres Lebens nicht mehr recht froh, begann zu kränkeln, und nicht lange, so schlug auch ihr das letztes Stündlein.

Ähnlich lautet die Rosentaler Sage.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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