Die Strumpfbänder

Im Maltatale geht folgende Sage: Es war einmal ein Mann, der hatte zwölf Kinder, wollte aber seine Vaterschaft nicht anerkennen. Da starben sie nach und nach alle dahin. Als sie aufgebahrt wurden, tat er jedem ein langes Kleid um, aber um die Strümpfe band er keine Bänder.

Einmal ging der Mann um Mitternacht des Weges, da begegneten ihm seine zwölf Kinder, die alle kopflos waren. Dennoch erkannte er sie, wie sie ihm zuriefen: „Wenn du nicht gestehst, unser Vater zu sein, so geht's dir schlecht! Wir können nicht in den Himmel eingehen, denn du hast uns keine Strumpfbänder mitgegeben, nur lange Kleider, auf die wir im Gehen treten; sie machen uns auf unserem Wege straucheln.“ Da riß der Vater sein ganzes Gewand in Stücke, band den Kindern davon Strumpfbänder unter die Knie und heftete die langen Kleider auf. Die Kinder bedankten sich für dieses gute Werk und verschwanden.

Tags darauf erzählte der Mann sein Erlebnis und was es damit für ein Bewenden hatte. Die Leute aber sagten: „Hätte er nicht so gehandelt, so wäre es ihm wahrlich schlecht ergangen.“

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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