Bad St. Leonhard

Wandert man von Feldkirchen nordwestlich in das Gebirge, so gelangt man nach etwa dreistündigem Marsche auf eine kleine Hochebene, wo, umrauscht von dunklen Tannenforsten, das Alpenbad St. Leonhard liegt. Inmitten einer kleinen Häusergruppe erhebt sich ein altertümliches Kirchlein, unter dessen Hauptaltar ein munterer Bergquell aus dem Boden hervorsprudelt, der bei verschiedenen menschlichen Leiden Linderung bringen soll.

Wo jetzt St. Leonhard liegt, weidete vor Jahrhunderten ein Hirte seine Rinder. Eines Tages bei Sonneruntergang sah er einen Schleier, welcher sich vom blauen Himmel ans die Erde herabließ. Als er am anderen Morgen sein Vieh wieder dort weidete, grub eines seiner Tiere an derselben Stelle, wo sich der Schleier herabgelassen hatte, ein Loch, und plötzlich sprudelte eine klare Quelle hervor, aus welcher das Tier von nun an täglich trank. Es zeigte, nachdem es getrunken, immer eine besondere Lebhaftigkeit. Dem Hirten fiel dieses auf, und er ahnte eine Wunderkraft. Weil er immer einen leidenden Fuß hatte, so benutzte auch er diese Gelegenheit, trank und badete sich einige Male.

Der Fuß wurde gesund, und aus Dankbarkeit wählte der Hirt jene Stelle als Betort. Eines Tages bemerkte er zwischen den Ästen einer uralten Buche ein halbverfaultes Bild. Er zeigte es dem Pfarrer an, der erkannte das Bild des heiligen Leonhard und schloß es in die Kirche ein. Allein das Bild kam immer wieder auf die Buche zurück, bis man an dem Orte eine Kapelle erbaute, und als ein ungarischer Graf, welcher schon mehrere Jahre blind war, durch das Waschen mit diesem Wasser sehend wurde, baute er aus Dankbarkeit dem heiligen Leonhard eine Kirche. Daher stammt auch der Name des Ortes. Die große Anzahl von Krücken, die in der Kirche von geheilten Kranken zurückgelassen sind, bezeugen den Ruf der weltfernen Wallfahrtsstätte.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
© digitaler Reprint: www.SAGEN.at