Die Maria-Schnee-Kirche bei Mauthen

Vor Jahren ging ein Besitzer auf der Plöcken nach Italien und machte gelegentlich eines großen Viehmarktes in Paluzza gute Geschäfte. Da es bereits zu dämmern begann, beschloß er, mit seiner Gattin die Nacht hier zu verbringen. Nachdem es bereits spät geworden war und der Mann sich trotz dringender Bitten seiner Frau nicht bewegen ließ, zur Ruhe zu gehen, trat sie allein den Weg nach dem Gasthause an. Als sie eben die Stiege erklommen hatte und auf ihr Zimmer eilte, vernahm sie aus einem anstoßenden Räume das Jammern eines Kindes. Die gute Frau trat in das Zimmer ein, aus dem sie das Weinen hörte, das kleine Geschöpf zu beruhigen. Noch hatte sie das Zimmer nicht verlassen, als ein Reiter vor dem Fenster auftauchte und ihr einen gespickten Geldbeutel mit den Worten „da hast's" hineinwarf. Zu ihrem Erstaunen erkannte die Plöcknerin die Geldkatze als die ihres Mannes. Der Fremde, der diese dem Plöckner während seines Aufenthaltes im Gasthause gestohlen hatte und der Vater des Kindes war, hielt offenbar die Frau, welche das Kind pflegte, für seine Gemahlin. Froh über den glücklichen Zufall, durch den das Geld in die richtigen Hände kam, eilte sie gleich auf ihr Zimmer, wo inzwischen auch ihr Gatte eingetroffen war, nachdem er bereits das Geld vermißt und gelobt hatte, der Gottesmutter eine Kapelle zu erbauen, falls er wieder zu seinem Gelde käme. Wie schön legte es nun der Zufall in seine Hände. Gleich nach seiner Ankunft in der Heimat schritt er an die Lösung des Gelöbnisses, indem er auf dem Maria-Schnee-Berge, wie er heute genannt wird, eine Kapelle bauen ließ. Im Laufe der Zeit ist sie durch wiederholte Erweiterungen eine ansehnliche Kirche geworden.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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