Der Kornett auf Waldenstein

Vor Zeiten lebte auf Waldenstein im oberen Lavanttal ein trotziger Ritter. Er mag ein finsterer, strenger Mann gewesen sein, da jeder ihm aus dem Wege ging. Nur sein junges blondes Ehegemahl liebte er über alle Maßen, weshalb er jeden ihrer Schritte beobachtete und durch seine Eifersucht ihr Leben vergällte. Nun sollte einmal zur Zeit der herbstlichen Hochjagd der Schloßherrin Vetter zu Besuch kommen, ein Kornett, jung und lebensfroh; mit ihm zog neues Leben in die Burg ein, selbst das verschlossene Wesen des Herrn schien sich der Heiterkeit erschließen zu wollen; er vergaß schon am ersten Abend seine Eifersucht und gab Erlebnisse aus der Jugendzeit zum besten.

Doch diese fröhliche Zeit sollte nicht lange währen. Bald trat seine alte Leidenschaft stärker denn je zutage, da er beobachtet zu haben glaubte, daß die Liebe seines Weibes erkalte und dieses den Vetter in allen Dingen bevorzuge. In blindem Hasse gegen den Eindringling sann er auf Rache und hatte bald einen Plan fertig. Er veranstaltete einen Jagdausflug und lud seinen jungen Anverwandten dazu ein. Als sie nach einigen Tagen mit reicher Beute sich auf den Heimweg begaben, ließ er ihn von einigen Knechten überfallen und ins Burgverließ werfen. Niemand kümmerte sich hier unten um den armen Unschuldigen, während die besorgte Herrin sich die Augen rotweinte um den verschwundenen Vetter.

Nach vielen Jahren, als die beiden schon längst tot waren, führte der Zufall Menschen in jenes Verließ, wo der arme, unschuldige Kornett eines qualvollen Hungertodes gestorben war. Da bot sich ihnen ein schrecklicher Anblick: An die Wand gelehnt saß ein Gerippe, dem ein Finger fehlte, und auf der Mauer standen mit Blut geschrieben die Worte:

O Richter, richte recht!
Du bist Herr und ich bin Knecht.
Wie du gerichtet mich
Wird Gott einst richten dich.
1669. Peter Eckard v. Peckern, Kornett.

Wer heute nach Waldenstein kommt, sieht in jenem Gemach, der sogenannten „Kornettenkeuche", noch immer die geheimnisvolle Schrift des Toten, und man behauptet, daß keine Farbe oder Tünche sie dämpfen könne.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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