Die Sage vom Hundsmarhof

Am nördlichen Fuße der Villacher Alpe, auch Dobratsch genannt, steht ein Bauernhaus, welches unter dem Namen Hundsmarhof in der dortigen Gegend bekannt ist. Dunkler Tannenwald umgibt das Gehöfte und seine blendend weißen Mauern heben sich freundlich vom saftigen Grün der Wiesen ab, aus denen das Gebäude sich erhebt. Im vorigen Jahrhunderte gehörte es zu den gräflich Eggerschen Gütern. Heute wird es von einem Pächter bewohnt, der die Aufsicht über die herrlichen Waldungen führt, darin man manchen alten, verfallenen Stollen findet.

Einst wohnte in diesem Gehöft ein gewaltiger und reicher Riese, der mit einem Berggeist in Verbindung stand. Er besaß ein zahlreiches Gesinde von Knechten und Mägden und diese hörten oft um Mitternacht eine wunderliebliche Musik erklingen, wußten aber nicht, woher die Töne kamen. Wenn sie ihren Gebieter darnach fragten, erhielten sie zur Antwort, daß dies die Berggeister machten. Wollte einer mehr wissen, so erhob der Riese warnend die Hand, so daß jedem Bediensteten dabei die Lust verging, weiter nachzuforschen. Unter den Dienstleuten befand sich auch ein Bergmann, welcher seinen Herrn mit mancher Menge edlen Metalls versorgte. Dieser bemerkte seit einiger Zeit, daß der Riese jeden Abend zur selben Stunde das Haus verließ und sich in den Stollen begab, wo er tagsüber arbeitete. Dadurch neugierig gemacht, schlich er einmal dem Riesen nach, um hinter das Geheimnis zu kommen. Aber sogleich entdeckte ihn sein Dienstgeber und nahm ihn gefangen. Mit den Worten: „Du sollst meinen Reichtum sehen, aber genießen wird man ihn erst dann, wenn das Haus, das ich bewohne, nicht mehr steht“, steckte er den Kleinen in die Tasche. So ging der Mächtige tiefer in den Berg und zeigte seinem Gefangenen einen unübersehbaren Raum, wo das Erz einen solchen Glanz verbreitete, als wenn der ganze Berg aus reinem Gold und Silber bestanden hätte. Ein Zwerg kam nun daher und blies aus einer kleinen Pfeife mächtige Rauchwolken über das Erzlager. Alles ward sogleich in graues Gestein verwandelt. Da sagte der Zwerg zum Riesen: „Weil du meinen Aufenthalt einem Menschen gezeigt hast, wirst du von nun an statt Musik klägliches Hundegebell vernehmen“, und verschwand. Bald standen Riese und Bergmann wieder vor dem Stollen und begaben sich zum Gehöfte. Dort angekommen, vernahmen sie ein fürchterliches Hundegebell, das von der gleichen Stelle ertönte wie vordem die herrliche Musik. Von nun an war der Eingang in den Stollen von einem großen, schwarzen Hunde bewacht und niemand konnte das Bergwerk mehr betreten. Heute ist der Stollen verfallen, das Hundegebell verstummt, aber noch führt jenes Gehöft den Namen Hundsmarhof. Wer aber ist imstande, jenes Bleimeer aufzudecken, das den ganzen Berg erfüllt?

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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