Von den „hadnischen Leuten"

Tausende von Jahren sind wohl vergangen, seit in den Bergen Kärntens die hadnischen Leute lebten. Das waren nach der Volksüberlieferung fürchterliche Hünengestalten, die Ureinwohner des Landes, denen die nachmals im Tale sich ansiedelnden Menschen wie Mücken vorkamen. Sie lebten anfänglich mit diesen auf gutem Fuße und erwiesen ihnen sogar bedeutende Dienste. Auf den Almen und Bergen hausten sie in selbst verfertigten Riesenburgen oder tiefen, dunklen Höhlen, welche man heute noch sehen kann; es sind die sogenannten Had’nluck’n und Had’ng’schlösser, Höhlen oder Felsgebilde von solcher Ausdehnung, daß die einfältige Phantasie des Bauers sie der Arbeit der dort seßhaft gewesenen Riesen zuschreibt. Der kostbarste Edelstein, „der gelbe Karfunkel“ - es gab auch einen blauen und roten, der aber geringeren Wert besaß -, diente ihnen als Leuchte in ihren dunklen Felsenwohnungen. Sie waren es, welche die felsbedeckten, nackten Höhlen zu grasigen Almen umwandelten, die die mächtigsten Felsblöcke übereinander schichteten und die fruchtbarsten Bergweiden schufen. Noch jetzt zeugen ausgedehnte Felshaufen von der Arbeit der Riesen oder Heiden. Sie leiteten das Wasser in tiefe Gräben, wo es sich unzweckmäßig über die Almgründe ergoß, leiteten Seen ab und taten überhaupt all das, was den schwachen Menschen in der erhabenen Gebirgswelt staunen macht. Die heutige Welt ist nicht mehr imstande, solche Werke zu vollbringen. Aber auch Krieg führten sie untereinander und zogen mit ihren Hellebarden und Armbrüsten zum mörderischen Kampfe aus; heute noch erinnern Namen, wie „Blutige Alm“, „Martersboden“ u. a. an die blutigen Schlachten, welche da geschlagen wurden. Große Steinhügel oder grabartige Erhebungen des Bodens bezeichnen die Plätze, wo die Heiden ihre Toten bestatteten. So heißt beim Thörl auf der Millstätteralm eine Stelle der „Had’nbod’n“, auch „bei den Heidengräbern“ oder der „heidnische Freithof“.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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