Von den „guten Leutlein“

1. Von einem gewissen Mitterberger, einem armen, aber fleißigen Bäuerlein aus dem Dorfe Wiesen ob St. Lorenzen im Lesachtale, wird folgendes erzählt: Als er einst auf der Alpe Heu machte und ein fürchterliches Unwetter herannahte, halfen ihm die „guten Leutlein“ bei der Arbeit, so daß er sein Heu trocken einbringen konnte, was ihm ohne ihre Hilfe trotz allen Fleißes unmöglich gewesen wäre. Das dankbare Bäuerlein wollte den guten Leutlein ihre Dienste lohnen und wußte sich in seiner Armut in keiner andern Weise gegen sie erkenntlich zu zeigen, als daß er sie zu einem Mittagessen in sein Hans einlud. Die „guten Leutlein“ sagten der freundlichen Einladung gerne zu und fanden sich auch alle im Hause ihres Gastgebers zum Festessen ein.

Sie ließen sich's trefflich schmecken und taten der Kochkunst ihrer freundlichen runden Wirtin alle Ehre an. Auch das beliebte Festgericht, gebratenes Lammfleisch, fehlte nicht auf dem rein und säuberlich gedeckten Tische. Die „guten Leutlein“ fragten, was für ein vortreffliches Gericht man ihnen da vorgesetzt habe; denn sie waren noch nie bei Menschen zu Gaste gewesen und erkannten die Speise nicht. Als sie nun aber erfuhren, Lammfleisch gegessen zu haben, wurden sie traurig und wehklagten, daß man ihretwegen ein unschuldiges Tier getötet habe. Sie halfen dem Bauer nie wieder bei seiner Arbeit und ließen sich überhaupt nicht mehr blicken.

 

2. Im Radegundgraben ob St. Lorenzen im Lesachtale hüteten zwei Knaben Ziegen. Da kamen zu ihnen die „guten Leutlein“ und baten sie um etwas Milch. Der eine Ziegenhirte gab sie ihnen bereitwillig, der andere aber, ein mutwilliger Knabe, tat „Geißelorbeer" hinein. Als die guten Leutlein fort waren, fand der gutherzige Hirte lauter Gold in seinem Topfe, der andere aber nichts. Da fingen sie an zu streiten und zu zanken und schlugen einander tot. Unter einem Steine sollen sie begraben liegen.

 

3. Im Nostratale wollen die Leute öfters Wäsche hängen gesehen haben und behaupten, die „guten Leutlein“ zeigten sich in dieser Weise ihnen an. Ein Bauer soll einst ein Kindeshemdlein gefunden haben, das der Wind enttragen. An seinen Besitz knüpfte sich für immer Glück und Wohlstand des Hauses.

Man stellte Fleisch und Brot vors Fenster, um sich durch diese milden Gaben der Hilfe und des Beistandes der guten Leutlein zu versichern. Gleichviel, ob die ahnungslosen Bauersleute, die es wirklich gut und redlich meinten, hierbei von einem Schelm hintergangen wurden, der sich ins Fäustchen lachte und ihre Torheit tüchtig ausnützte, kurz und gut - das mit Eßwaren gefüllte Körbchen stand am nächsten Morgen regelmäßig leer vor dem Fenster.

 

4. Im Gailtale, nicht allzu weit unterhalb Kötschach, sollen die „guten Leutlein“ einst mehrere Tage hindurch einem Bauer beim Roggenschnitt geholfen haben, da er nicht genug Schnitter aufbringen konnte. Allabendlich stellte die Bäuerin einen Laib Brot und einen mit Käse und Fleisch gefüllten Stotzen (Holzkübel) vors Fenster, um sich der weiteren Hilfe der „guten Leutlein“ zu versichern.

Der Sohn des Hauses, ein schmucker, aber etwas neugieriger Bursche, schlich einmal nachts heimlich aufs Feld hinaus, um die „guten Leutlein“ kennenzulernen und bei ihrer Arbeit zu beobachten oder gar zu belauschen; denn sie schnitten nur in der Nacht, bei Tage ließen sie sich nicht blicken. Aber er sah nur dunkle, vermummte Gestalten, die, ohne eine Wort zu reden, emsig schnitten, weit schneller als die fleißigsten Schnitterinnen. Die Neugierde lockte den Burschen aus seinem Verstecke zwischen dem hohen Getreide, wo er bisher unbemerkt geblieben war; ehe sie sich's versahen, war er mitten unter ihnen, erhaschte die nächstbeste der dunklen, rätselhaften Gestalten und hielt sie fest, daß sie ihm nicht entwischen konnte. Als er ihr aber ins Antlitz schaute, sah er, daß es ein bildschönes Mädchen war.

Die anderen flohen bestürzt bei seinem Anblicke, die schöne Gefangene aber wehrte sich verzweifelt in seinen Armen und flehte unter Tränen, sie wieder freizugeben. Aber dazu verspürte der kecke Störenfried, dem ihre Schönheit auf den ersten Blick das Herz in Flammen gesetzt hatte, wenig Lust. Mit heißen Liebesworten beschwor er sie vielmehr, die Seine zu werden.

Das Mägdlein tat auch nicht länger spröde und sagte zu, aber unter der Bedingung, daß er sie nie mit der rechten Hand berühre. Hoch und teuer versprach er, ihr Gebot heilig zu halten für immer und ewig und führte sie heim als junge Bäuerin des väterlichen Hofes. In ungetrübtem Glücke vergingen die ersten Jahre, muntere Kinderstimmen erschollen im Hause. Da kam es, das unselige Verhängnis, das grausam mit einem Schlage ihr häusliches Glück zerstörte.

Unversehens übertrat einst der junge Bauer das Gebot seines Weibes. Da wurde sie traurig und sagte, nun müsse sie fortgehen. Da half kein Bitten des bestürzten Mannes, der darüber schier verzweifelte, daß er ein kleines Versehen so schwer büßen sollte. Zu derselben Stunde schnürte sie ihr Ränzlein und sagte ihm Lebewohl für immer. Aber ihre Mutterliebe ließ sie der Stätte ihres einstigen Glückes nicht gänzlich ferne bleiben. Heimlich wachte sie über ihre Lieblinge und des Nachts, wenn alles schlief, kam sie bei verschlossenen Türen und Fenstern und wusch und kämmte die Kleinen, die am nächsten Morgen die Spuren der fürsorglichen Mutterhand an sich zeigten, ohne von dem nächtlichen Besuche etwas wahrgenommen zu haben. Später aber kam sie immer seltener und blieb endlich ganz aus.

 

5. Eine Bäuerin im oberen Mölltale sprach eines Abends, als sie eben das Mehl zur Bereitung des Brotteiges herrichtete, den Wunsch aus: „Ach, wenn doch jemand für mich Brot backen wollte, ich bin so müde!“ Dann legte sie sich zur Ruhe. Doch wie weiteten sich am Morgen ihre Augen, als sie in der „Laube“ das Brot fertig fand. Das ging jetzt so fort durch drei Jahre. Die Bäuerin brauchte nur abends, so oft sie backen wollte, das Mehl bereitzustellen und fand in der Frühe das gebackene Brot vor. Noch dazu haftete an diesem ein besonderer Segen. Einmal blieb ein Hansbewohner aus Neugierde die Nacht über in der Backstube, um die Fremde zu beobachten. Es war eine schöne Jungfrau, welche jedoch ein zerrissenes und schmutziges Gewand trug. Dies erzählte er am Margen der Bäuerin, und sie beriet mit dem Bauer, was zu tun sei. Endlich kamen die gutherzigen Leute zu dem Entschlüsse, sobald das Weib wiederkomme, ein neues Kleid auf den Backtrog zu legen. Die Bäuerin nahm sich vor, jene Nacht auf dem Ofen zu verbringen, um zu sehen, ob die Fremde das Kleid auch anziehe.

Richtig kam sie und erblickte das Kleid. Augenblicklich zog sie es an, betrachtete sich wohlgefällig im Spiegel und entfernte sich mit den Worten:

Hinten schön, vür schön,
i kånn nit mehr in Tag (Teig) gehn.

Von diesem Tage an blieb sie aus.

Im unteren Mölltale wird dieselbe Geschichte von einem Saligen Fräulein erzählt.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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