Der bestrafte Bartl

1. Es war ein „Spitzbartlabend" (5. Jänner) und nach alter Sitte zogen auch diesmal einige Burschen mit Teufelsmasken als „Spitzbartl" verkleidet von Haus zu Haus. Sie versammelten sich beim Trattenbauer vor dem Kreuz und trieben dort allerlei Mutwillen, spöttelten auch über dieses Denkmal frommen Glaubens und erwiesen ihm nicht die gebührende Ehrung. Nicht lange sollten ihre Frevel ungestraft bleiben. Plötzlich drängte sich zum Entsetzen der zwölf Spötter ein ungewöhnlich großer Bartl in ihre Mitte, erfaßte den frechsten und fuhr unter Heulen und Jammern des Unglücklichen in die danebenstehende Esche. Seitdem trieb der Baum keine Blätter mehr aus und verdorrte. Niemand wagt es, von diesem Baume Brennholz zu nehmen. Sein Feuer würde augenblicklich Haus und Hof des Verwegenen vernichten.

 

2. An einem „Spitzbartlabend" zog ein Bauer als Bartl umher. Er ging so ganz allein dahin, als ihm ein Pfarrer mit dem Mesner entgegenkam. Der Seelsorger kam in dieser unheimlichen Nacht gerade von einem Sterbenden und trug das Allerheiligste mit sich. Der Bauer schämte sich niederzuknien und wich dem Pfarrer aus. Er lief davon und schlug einen Seitenweg ein. Aber er konnte seinen Lauf nicht mehr hemmen und wie von unsichtbaren Händen getragen wurde er in die Luft entführt. Der Pfarrer hörte noch lange das Wimmern und Heulen des Bestraften. Als nun noch allmählich sich die Luft mit Schwefel- und Pechgeruch erfüllte, zweifelte der erschütterte Seelenhirt keinen Augenblick mehr, daß den Bauer der Teufel geholt habe. (Gurktal.)

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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