Der Kapuziner in Prösels.


Im Pröselser Schloss bei Völs liegt ein Schatz vergraben, doch wird es noch lange Jahre dauern, bis er wieder zu heben ist. Denn es ist noch gar nicht so lange her, da ist einem Kapuziner auf Prösels folgendes begegnet.

Der Pater, mit dem Sack über der Achsel, kommt ins Schloss, und will schon seinen Gesang anstimmen.

"Mit trockenem Hals
Den ganzen Tag beten -
Speck, Butter und Schmalz,
Das wär uns vonnöten.
Die Hennen, Bäui, legens?
Gott lohns euch und segens-------"

Da schaute er auf, er stand in einem prächtigen Saal. An den Wänden blitzten mannshohe Spiegel, seidene Tapeten waren gespannt, goldenes Gestühl schmückte den Raum. Auf dem Tische in der Witte des Saales lag eine alte Pergamenturkunde mit krausen Buchstaben.

"Ich Balthasar Zott zu Prösels und Plätsch, fürstlicher Rath zu Brixen und Pfleger zu Schenegg, Bekenne hiemit öffentlichen In dem Brief, daß ich..."

Alles konnte der gute Pater in der Eile gar nicht lesen, so alt war die Schrift. Doch das war klar: Derjenige, der diese Urkunde finde und den Schlüssel - der darauf lag - zu sich nehme, der sei rechtmäßiger Herr und Besitzer des großen Schatzes im Keller.

Der Pater nahm den Schlüssel, stieg in den Keller hinab und öffnete die schwere Falltüre, die in einen noch tieferen Raum führte. Dort standen fünf Truhen über und über mit Gold gefüllt. Schon wollte er seine Hand ausstrecken, da fiel ihm sein Gelübde ein, arm zu bleiben und kein Geld zu berühren.

Für sich wollte er den Reichtum ja auch gar nicht haben, nur für das Kloster wollte er ihn erwerben. Wie wird der Pater Guardian lachen, wenn er endlich einmal das Kirchendach neu decken lassen kann, den Fußboden im Refektorium ausbessern, die Mauern weißen und...

Aber das Verbot, kein Geld anzurühren, lautete allzu deutlich und zu bestimmt; über das kam er nicht hinweg.

"Was könnt man da machen?"

Lange dachte er nach.

"Jetzt hab ich's", rief er dann.

Den nächsten, besten Bauern wollte er herbeiholen, der sollte ihm den Goldschatz fortschaffen.

Fand auch bald einen Bauern, führte ihn ins Schloss und trat mit ihm in den Saal.

Da war aber alles anders als vorher. Keine Spiegel, keine Tapeten, kein Tisch und keine Schrift. Auch der Keller war nicht mehr zu finden, die Falltüre war verschwunden und der Schatz jedenfalls tief, tief versunken und erst in hundert Jahren wieder zu heben.


Seither gehen die Kapuzinerpater nie mehr allein einsammeln, haben immer einen Knecht mit. Denn man kann nie wissen -

Quelle: Laurins Rosengarten, Sagen aus den Dolomiten, Franz S. Weber, Bozen 1914, S. 74-76.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Bernd Wagener, März 2005.