Hoch-Unser-Frauentag

Nach den gefürchteten Wetterherren, den übellaunigen Wetterfrauen und dem abscheulichen Hexenvolke winkt uns ein liebliches Verweilen bei einem der höchsten Feste zu Ehren der Jungfrau und Gottesmutter Maria.

Vorher fällt auf den 26. Juli der Namenstag der Mutter Mariens: Anna, deren es hierzulande zahlreiche gibt.

Meine Erfahrungen reichen nicht hin, den Spruch zu kritisieren, der im Burggrafenamte verbreitet ist:

"Wo eine Anna und eine Lies im Haus ist, braucht's kein' Haushund."

Auf den 10. August trifft Laurentius, der auf glühendem Rost gemartert wurde. Auch die Burggräfler bratet die Hochsommerhitze gehörig; doch sie ist schon am Höhepunkt und das Volk sagt:

"Laurenzi,
Summer schwänz di!"

Noch eine andere Höhe erklimmt der August in seiner Mitte: den "Hochunserfrauentag", das Fest der Himmelfahrt Mariens. Die Jungfrau Maria genießt im Volke eine Verehrung, die die der übrigen Heiligen weit übersteigt. Der ganze wonnige, blumenreiche Monat Mai ist ihr geweiht und die Kirchen füllen sich bei den stimmungsvollen, abendlichen Maiandachten.

Der Samstag (Sonnabend) jeder Woche ist der Muttergottes heilig und noch vielfach findet man auch in Bürgerhäusern vor einem Marienbilde ein meist rotes Öllämpchen brennen.

Das Volk behauptet, an diesem Tage müsse wenigstens einmal die Sonne scheinen, und in einer Abänderung: es gibt nur drei Samstage im Jahr ohne Sonne.

Am Samstag soll man der Gottesmutter zuliebe kein Obst essen. Vielleicht weil durch den Genuß des Apfels Eva die Sünde in die Welt brachte und Maria sie wieder davon befreite durch die Geburt des Erlösers. Der Kreuzspinne darf man kein Leid antun, sie ist ein Muttergottes-Tierlein und bringt Glück, ebenso wie die Prantelen (Rotschwänzchen). Wer ein Prantelenest ausnimmt, in dessen Haus schlägt der Blitz ein oder es geht sonst in Brand auf. Wem das niedliche Marienkäferchen über die Hand kriecht, der wird Segen haben. Für die Tiefe der Liebe, die das Volk Marien entgegenbringt, sprechen deutlich genug die Scharen von "Moideln" auf dem Lande, die Legionen von Marien, Mizzi, Mimmi, Mi, Moi und hochvornehmen Märy in der Stadt.

Am eindringlichsten predigen diese Verehrung die vielen Marienkirchen, -Kapellen und -Bildstöcke, die unzählbaren Statuen und Bilder, worunter sich in unserer Gegend namentlich die Madonna mit dem Kinde von Lucas Cranach außerordentlicher Beliebtheit erfreut.

Mit kindlichem Vertrauen pilgert das Volk zu den Gnadenorten und legt der Mutter der Schmerzen alle Bekümmernisse des Lebens ans Herz; sie ist Zuflucht, Hilfe und Trost unendlich vieler.

Ein Weib (210) hatte einen scharfen und verwilderten Soldaten zum Manne, der sie gar hart behandelte. Einstmals im rauhesten Winter fuhr er sie an: „Heu bring für mein Roß, sonst sollst du mein Schwert fühlen!" Da war der armen Frau angst und bange, denn sie hatte kein Geld, das Futter zu kaufen. Sie hub an bitterlich zu weinen und inständig zu beten. Da erschien ihr die Muttergottes und sprach: „Diene mir nur treu und fromm und es soll dir geholfen sein. Geh auf die Wiese und schneide dir Gras."

Voll Vertrauen trotz des Winters nahm das Weib die Sichel und ging. Auf der Wiese war der Schnee zergangen und Gras stand in schönster Blüte. Dankend und betend schnitt sie es und brachte es ihrem Manne. Dieser ergrimmte aber erst recht und schalt die Frau eine Hexe. Endlich folgte er ihren Bitten, ging auf den Anger, sah das Wunder und ward von Stund an ein braver Mann.

5chon am Vorabende des "großen Frauentages" beginnen Kinder und Weiber nach dem frühzeitigen Feierabendläuten in Feld, Wald, Wiese und Hausgarten allerhand Kräuter zu sammeln. Zu Büschen gebunden werden sie am Festmorgen in die Kirche gebracht, wo sie der Priester weiht. Auch hier meint das Volk, daß den Franziskanern und Kapuzinern ein kräftigerer Segen eigen sei. Daheim kommen die Blumen und Kräuter auf die Dill (offenes Unterdach), werden gedörrt und finden dann während des Jahres verschiedenste Verwendung.

Dem Weihbuschen sind stets "Dreißgenkräuter" beigemengt. Unter „Dreißgen" oder „Frauendreißigst" versteht man die Zeit, die mit Maria Himmelfahrt beginnt und Maria Geburt (8. September) endet. Dreifacher Segen ruht in diesen Tagen auf Tieren und Gewächsen, während alle giftigen Tiere und Pflanzen nur geringeren Schaden anzustiften vermögen.

Zu den Dreißgenkräutern gehören namentlich sehr wohlriechende und man verbindet damit die fromme Erinnerung (210) an das Grab Mariens. Als die Apostel am dritten Tage nach der Bestattung zur Gruft kamen, fanden sie die Stätte leer und statt des heiligen Leichnams das Grab voll duftender Blumen und Kräuter.

Es zählen hieher: Himmelbrand (Königskerze), Frauenschuh, Wegwart (dessen Wurzeln Kopfschmerzen heilen, gegen faulende Geschwüre und Magenweh gut sind), Brennende Liebe, Rauten (besonders wirksam gegen Hexen- und Teufelszauber), Johanniskraut, dessen Blättlein mit zahlreichen, durchscheinenden Pünktchen übersät sind. Diese bedeuten (211) Nadelstiche des Teufels, der dadurch das heilkräftige Kraut vernichten wollte. Dessen Saft nämlich zwingt die Hexen, die Wahrheit zu sagen. Reibt man die Kronblätter der Blüte zwischen den Fingern, so fließt ein blutroter Saft heraus; denn das um Johanni blühende Kraut (212) ist aus dem Blute des enthaupteten Johannes hervorgewachsen. Die Germanen schmückten am Feste der Sonnenwende ihre Altäre mit diesem Kraute, flochten Kränze daraus und warfen sie auf die Dächer, um das Haus gegen Wetter und Blitz zu schützen.

Weitere Dreißgen sind: Wohlgemut, Edelweiß, Münze, Kamille, Saturei, Donnerkugeln (Stechapfel), Tausendguldenkraut (besonders gegen Gicht und Magenleiden), Wermut (wirkend bei Leberleiden und Verdauungsbeschwerden), Karbendl, von dem die Legende (213) erzählt, daß Maria bei ihrem Gang übers Gebirge zu Elisabeth sich darauf niedersetzte; deshalb erhielt die Pflanze den „Schreibnamen" Marias: nämlich Karbendl aus Cardo benedictus. Schließlich noch Sinngrün, ein Hexenkraut, daraus diese Teufelsweiber mit einigen Zutaten ein Zauberpulver bereiteten. Streuten sie es Eheleuten aufs Essen, gab es Zank und Unfrieden; rührte man's den Kühen ins Futter, zerplatzten sie mitten auseinander.

Die gedörrten Weihkräuter sammelt die Bäuerin in einer Schachtel, wo auch die gesegneten Palmkätzchen aufbewahrt sind, und gibt sie in einen Kasten, um sie gleich bei der Hand zu haben; denn sie streut davon in die Herdflamme, so oft gefährliche Gewitter aufziehen als Schutz gegen Hagel und Blitz; wenn der Bauer räuchernd durchs Haus geht, mischt man davon darunter; bei Krankheiten von Mensch und Vieh wird die Schachtel hervorgeholt, für die Leute bereitet man einen Kräutertee, dem Vieh mischt man die Dreißgen in das Futter.

Quelle: Der Burggräfler in Glaube und Sage, Hans Matscher, Bolzano 1933, S. 207ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Leni Wallner, Dezember 2005.
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