Huisile verblendet sich

So hatte sich dem armen Knechtl von früher wirklich über Nacht die ganze Welt eröffnet: Auf einmal spürte er in sich ungeahnte Kräfte und Fähigkeiten. Er hatte Gewalt bekommen über Natur und Menschen, ja selbst die wilden Wasser waren ihm untertan…!

Mit besonderer Vorliebe übte er nun an sich selbst oder an Menschen und Tieren die Kunst des Verblendens aus, das heißt, er konnte sich in alle möglichen Menschen, Tiere und auch in Gegenstände verwandeln. Die Verwandlung in ein großes Tier ging verhältnismäßig leicht, während die Verwandlung in eine Fliege - wie die Pfitscher erzählten - die größten Schwierigkeiten machte. Als er sich einmal in einen Bär verwandelte, warf ihm der Tuifl ein Bärenfell zu, und schon war die Verblendung geschehen. In Ulten verblendete er sich sogar in einen Floh, um dann heimlich in die Weiberleutkammer zu springen. Große Schwierigkeiten hatte er nicht selten bei der "Rückblendung" zu bestehen, weil er auch allen Gefahren des jeweiligen Tieres ausgesetzt war. Als "Fluige" hatte er nicht mehr Kraft und Fähigleiten als eben eine Fliege. Die Rückverwandlung war immer an die Erde gebunden. Ohne Berührung mit der Erde war er verloren. Daher konnte er sich nicht mehr aus eigener Kraft befreien, wenn er in die Rahmschüssel gefallen war. Als ihn einmal ein grober Senner der Alm Balleming etwas unsanft aus der Rahmschüssel zog und dann zu Boden warf, trug Huisile eine Verletzung an einem Fuß davon, so daß er "zeitlebens etwas gehinkt" hat.

In einem Fall ist es auch geschehen, daß Huisile eine Bäuerin in eine "Fluige verblendet" hat, wie man in Pflersch erzählt. Huisile hatte einen Zorn auf sie, so daß er die Verwandlung vornahm. Dann flog plötzlich eine "dicke Fluige" in der Stube herum. Zu allem Unglück schlug der Bauer oder der Knecht mit grober Faust auf die lästige "Fluige"… Da lag die Bäuerin erschlagen vor ihnen…

Quelle: Pfeifer Huisile, Der Tiroler Faust, Hermann Holzmann, Innsbruck 1954, S. 18 - 19.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Bettina Stelzhammer, Februar 2005.