WILDE MÄNNER IN VILLNÖß

In Casaril und Tschantschinon, beides Almtäler von Villnöß in Richtung gegen Campill in Enneberg, hausten vor alters Wilde Männer, in Tschantschinon ein dreiköpfiger, wie man ihn in der Laubengasse in Brixen im Standbild sieht, in Casaril aber einer mit einem, und zwar ganz grauen Kopfe.

Beide stammten noch von uralten Zeiten her und waren knurrig und grämig und nicht gut auf die Villnösser Bauern zu sprechen. Sie mieden alle Gemeinschaft mit gewöhnlichen Menschen und kamen nie zu den Bauernhöfen heraus. Oben auf ihren Almrevieren aber konnte man ihrer nicht selten ansichtig werden, denn sie lebten von der Jagd und gingen deshalb oben häufig um. Ihren Jagdruf und das Bellen der Hunde hörte man manchmal bis nach St. Magdalena heraus. Der Wilde auf Casaril bewohnte dort eine alte Hütte, aus der ihn die Leute hie und da seinen katzgrauen Kopf hervorstrecken sahen.

Seitdem beim Ranuihof das Kirchlein steht und die Glocken läuten, sind die beiden Wilden dahinten nimmer gesehen worden; andere sagen, als die Herren von Jenner den Ranuihof sich zum Jagdschlößchen eingerichtet hatten und von da aus Wald und Weide bis zum Peitler und zur Geisel durchpirschten, wären die Wilden Jäger aus Casaril und Tschantschinon für immer auf und davon.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 147