Das Totentragen

Fünf übermütige Bergwerksknappen aus Pflersch begaben sich eines Mitternachts in den Gossensasser Friedhof zum "Totentragen". Ihrer vier nahmen eine leere Totenbahre auf die Achsel, indes der Fünfte mit dem Eisenring an die Kirchtüre schlug um die Toten heraufzurufen. Sie lebten in einem finsteren Wahn. Nach demselben würden die Toten aus den Gräbern steigen und sich auf die Bahre setzen. Soviele derselben man dreimal um die Kirche herum zu tragen imstande wäre, mit ebensovielen Lebenden gewänne man es auf der Dorfgasse im Raufen.

Der fünfte der Knappen hatte die Aufgabe, der Toten soviele als möglich von der Bahre herunterzuschlagen. Diese Leistung sollte ihm Kraft und Gewalt über ebensoviele Menschen eintragen.

Ehe die Knappen jedoch die dritte Runde hinter sich bringen konnten, mußten sie infolge des immer größer werdenden Gewichtes ihr Vorhaben einstellen.

Da fielen die Toten über die Frevler her und zerrissen deren Joppen armselig in Fetzen.

Quelle: Fink, Hans, Eisacktaler Sagen, Bräuche und Ausdrücke. Schlern-Schrift Nr. 164, Innsbruck 1957, S. 26