Die Kaßwand
Das Jaufental war einst das schönste der Sterzinger Hochtäler. Vom Jaufen bis Gasteig fiel es schön gleichmäßig ab. Ein Weinfaßl hätte man vom Jaufen bis Sterzing rollen lassen können, ohne daß es Schaden genommen hätte.
Von den Übergängen über den Jaufen, war der durch das Jaufental der älteste gewesen. Die großen Stadel beim Joggl im Hintertal und beim Gander in Mittertal sollen schon von den Römern zum Einstellen der Saumware bzw. Pferde gedient haben.
Beim Toniger in Außertal ging einst eine Zigeunerin vorbei. Sie meinte zum Bauern, dieses Tal sei nicht nur nett, sondern auch unheimlich reich. Die Leute hätten gar keine Ahnung davon. Der Toniger, dem von einem angeblichen Reichtum des Jaufentales nichts bekannt war, schaute erstaunt auf. Ja, wie denn dies zu verstehen sei ? Die Zigeunerin hat es ihm aber auch gezeigt.
Er mußte ihr auf den linken Fuß steigen und ins Hintertal hinein schauen, hin an die Kaßwand. Das Weib konnte hexen. Die Wand war mit einem Male riesengroß und ganz nahe. Und unzählige Goldzöpfe hingen an ihr herab.
Als er sich sattgesehen hatte, klärte ihn die Zigeunerin auf: "Es
kommt einst eine Zeit, wo man durch das Jaufental eine Bahn nach Heran
bauen wird. Unter der Kaßwand wird man das große Loch machen
und dabei auf das unermeßliche Goldlager stoßen, von dem ich
dir gerade einen Teil gezeigt habe."
Quelle: Fink, Hans, Eisacktaler Sagen, Bräuche und Ausdrücke. Schlern-Schrift Nr. 164, Innsbruck 1957, S. 45 f.