Wie ein König versteinert und eine Königin entführt wurde
Ein Drache im Thronsaal

Das Königreich Duun-Ca-Doh war ein kleines Königreich weit abseits der großen Handelsstraßen. Nur wenig Menschen kamen dorthin von anderen Orten und es wurde regiert von König Arad und seiner Königin Ysmera. Das Schloss Obin-Tres-Bin, auch Vielmalgut genannt, thronte auf einem Berg in der Mitte des Reiches. Rund um das Schloss wuchsen Blumen und Bäume, die es sonst nirgendwo gab, auch lebte dort allerlei seltenes Getier friedlich miteinander.

Die Menschen in diesem Königreich waren fleißig und immer fröhlich und sie feierten viele Feste. Alle hatten genug zu essen und zu trinken und ein Dach über dem Kopf.

Da geschah es eines Tages, an einem anderen Ort, dass ein Drache von diesem Königreich hörte. Ein Kaufmann, den dieser zum Frühstück verspeisen wollte, rettete sich das Leben, indem er dem Drachen von den sagenhaften Schätzen erzählte, die es dort im geben sollte. Er erzählte so schön und so gut, dass der Drache verzückt die Augen schloss. Auf diesen Augenblick hatte der arme Mann nur gewartet und er rannte fort so schnell ihn seine Beine trugen. Als der Drache merkte, dass sein Frühstück geflohen war, rannte er ihm Wut schnaubend hinterher. Doch umsonst, er fand weder den Kaufmann noch sonst etwas, was ihm wirklich geschmeckt hätte. Es war schon Tage her, dass er sich hatte richtig satt fressen können. Mittlerweile war er so schwach, dass er nicht einmal mehr Feuer spucken konnte. Dafür knurrte sein Magen lauter als Gewitterdonner.

Die Schätze, von denen er gehört hatte, gingen ihm nicht mehr aus dem Sinn und so warf er einen Blick in seine Kristallkugel. Immerhin, so dachte er grimmig, hat der elende Lump nicht gelogen. Das Königreich Duun-Ca-Doh gab es wirklich und was er sah, gefiel ihm sehr. Nun war der Drache auch der hohen Zauberkunst mächtig Es kostete ihn wenig Mühe, das ferne Duun-Ca-Doh aufzusuchen. Er murmelte lediglich einen Zauberspruch in der alten Drachensprache und schon befand er sich mitten im Thronsaal des Königsschlosses mit dem verheißungsvollen Namen Obin-Tres-Bin, auch Vielmalgut genannt.

Die Hofdamen wurden auf der Stelle ohnmächtig vor Schreck. Die königlichen Wachen, wenn auch um die Nasen blass, denn es war lange her, dass sie es mit einem Drachen zu tun gehabt hatten, zogen die Schwerter. Der Drache ließ sich davon nicht beeindrucken und verspeiste sie mitsamt Schwert und Rüstung und allem drum und dran. Es waren 10 an der Zahl und eigentlich war es nicht seine Art, sich so voll zu stopfen, aber er hatte wirklich Hunger gelitten die letzten Wochen. Er rülpste hemmungslos und strich sich über seinen fetten Bauch, derweil sein stinkender Schwefelatem den Thronsaal in gelben Dunst hüllte. Die Hofdamen hätte er zu gerne zum Nachtisch verspeist, aber er konnte beim besten Willen nicht mehr. Also verwandelte er sie in hübsche Spielkarten, denn Spielkarten kann man immer brauchen, und steckte sie in seinen Sack. Dann trat vor den König und sprach mit einer Stimme tief wie Donnergrollen.

"Herr König und Frau Königin, ich habe von Euren Schätzen gehört. Gebt sie mir, denn ich will sie haben, ich will auch das Land und das Schloss, denn auch dies gefällt mir sehr. Ich werde mir hier ein Drachennest bauen und euch werde ich zum Nachtmahl verspeisen."

"Nein! So geht das nicht", rief der König, denn er war ein mutiger König. "Nicht so hastig. Was sollen denn die Leute denken, wenn du König und Königin verschlingst?"

"Ach was" sprach der Drache "das ist mir doch egal, ich werde alle anderen auch fressen, jeden Mensch und jedes Tier und dann werden bald tapfere, wohlschmeckende Ritter kommen und auch die werde ich fressen, denn ich bin der Stärkste und der Klügste aller Drachen."

"Ein kluger Drache", gab der König zu bedenken, "wird wohl verstehen, dass ein König sein Königreich einfach verschenken kann. Wenn du es haben willst, dann musst du es gewinnen und deshalb, Herr kluger Drache, fordere ich dich zu einem Spiel heraus. Gewinnst du, bekommst du die Schätze und alles was du willst, gewinne ich, wirst du verschwinden und nie wiederkommen."

"Ja, ja" brüllte der Drache, lachte lauthals und holte eine Handvoll Karten aus seinem Sack. "Oder willst du lieber Würfeln, du König du?"

Dem König war es gleich, denn er war ein Meister aller Spiele, was der Drache nicht wusste. Der Drache war ein schlechter Verlierer, was der König nicht wusste. So kam es wie es kommen musste. Der König gewann das Spiel doch der Drache dachte nicht im Traum daran, seinen Teil der Abmachung einzuhalten.

"Das ist nicht wahr" brüllte der Drache und spuckte Feuer (was ihm nun wieder perfekt gelang). "Du ist ein Betrüger, denn gegen mich kann kein Mensch gewinnen, denn ich bin der klügste aller Drachen. Zur Strafe werde ich dich zu Stein verwandeln, dann kannst du in deinem Thronsaal stehen und zusehen, wie ich dein Volk auffresse, einen nach dem anderen mit Haut und Haar." Er spuckte noch einmal, doch diesmal war sein Feuer kalt und grau wie altes Eis und so sah auch der König aus, dessen Leben erfroren war und der seine letzte Karte, die Trumpfkarte noch siegessicher in der Hand hielt.

"Und dich Frau Königin, verbanne ich an einen Ort, den kein Mensch je betreten kann. Dort kannst du sitzen und heulen über dein Unglück von heute an bis in alle Ewigkeit, denn dort wird euch kein Mensch niemals finden, denn ich, Maldrago, kenne die besten Verstecke diesseits und jenseits der Welt." Eine ganze Weile stand er einfach nur da und hielt sich den Bauch vor Lachen. Es war schließlich schon lange her, dass er so schnell und so einfach ein Königreich in seine Gewalt gebracht hatte. Doch das Lachen verging ihm schnell, als er den Thronsaal wieder verlassen wollte: Es ging nicht mehr. Das heißt, es ging doch, aber dann konnte er nicht mehr zurück und nicht nur das, auch der Weg zurück in das Königreich wäre ihm dann versperrt. Er steckte in der Falle und die Falle war das Werk der Königin. Er schlug den Kopf auf den Boden und heulte laut über seine eigene Dummheit - so nah war er dem Schatz gewesen und nun das. Er konnte hier drin verhungern (es konnte nämlich auch niemand mehr hinein) oder den Saal zu verlassen (um dann für immer auf den sagenhaften Schatz zu verzichten).

Dem Bannspruch des Drachen konnte sich die Königin nicht entziehen, denn bei dem Versuch, in umzukehren verwechselte sie in der Eile ein oder zwei Worte weswegen noch viele Jahre vergehen würden, bevor sie das finstere Verlies, in das sie der Drache verbannt hatte, wieder verlassen können würde.

Quelle: Karin Bühler, Ausstellungsleiterin von "Die Karten von Duun-Ca-Doh" (April/Juni 2004, Berlin), mit Schülern der 3. Grundschulstufe, Emailzusendung im April/Mai 2005