6. Der Bauer, der seinen Wind verkaufte

Ein Bauer, der in der Nähe von Alzenau seine Felder tagaus, tagein beackerte, hatte sein Tagwerk erledigt und dachte, nachdem er sich den ganzen Tag geschunden, könne er sich einen Abend im Wirtshaus bei einem guten Schoppen genehmigen. Er ging zu seinem gewohnten Tisch, bestellte Brotzeit und Wein und gedachte, es sich einmal ein paar Stündleinn richtig gut gehen zu lassen. Noch bevor er von seinem ersten Schluck abgesetzt hatte, gewahrte er indessen eine überaus feine Herrschaft an einem der Tische gegenüber, die ihn mit durchdringendem Blick musterte. Der Bauer sah um sich, bemerkte aber niemand, dem dieser Blick gegolten haben konnte und frug sich, was der Herr denn von ihm erwarten könne. Der aber setzte sich zu dem Landmann an den Tisch und stellte sich als ein wohlhabender Händler aus Holstein vor. Der Bauer gab seiner Verwunderung Ausdruck und sprach, ihn ehrten die Anteilnahme des Herrn an seinen kärglichen Geschäften, doch er wisse nicht, ob der bei ihm an den richtigen geraten sei. Über ein ordentliches Stück Land verfüge er wohl, doch der Herr könnte mit anderen Gütern, deren es in der Gegend überaus reichlich gebe, wohl bessere Geschäfte machen. Der Fremde erwiderte, die Güter des Landmanns begehre er nicht, oder sehe er etwa aus wie ein Ackermann. Was er wolle, sei der Wind, der über des Bauern Felder wehe, der ihm nur bei der Arbeit lästig sei und die Saat forttrage Der Bauer erschrak und frug, wie denn der Fremde den Wind halten wolle, er könne ihn doch nicht in einen Sack sperrren? Und wie wollte er ihn verkaufen? Er gehöre doch jedem, der hier auf Erden wandele und niemand werde ihn sich fortnehmen lassen. Und wenn er es könnte, dann wäre es doch schon einen Augenblick später nicht mehr der gleiche, er käme wohl aus dem fernen Morgenland oder brächte die Frische aus dem Gebirg mit sich, wie könne er von dort etwas wegnehmen, was ihm doch gar nicht gehöre? Der Herr werde ihm dann am Ende einen Betrug vorhalten und ihn um die Freiheit bringen. Wo der Wind herkäme, entgegnete der Fremde, das kümmere doch nur die Wolken am Himmel,. Wenn er sich auf seinem Lande befände, sei er sein! Was er, der Kaufmann, aber damit anstelle, das solle nicht seine, des Bauern, Sorge sein. Sodann öffnete er einen Lederbeutel, der war so prall mit Gold gefüllt, dass dem Bauern die Augen übergingen, und sprach, dass dieser Schatz, der ihm ein Leben lang ein stattliches Auskommen ohne jede Plage bescheren könne, ihm gehöre, aber nur, wenn er noch zu dieser Stunde einen Pakt unterschriebe, der ihm den Wind auf seinen Feldern übereigne. Nicht wohl war dem Bauern bei einem solch seltsamen Geschäft, aber bei dem Gedanken, er müßte seinem zänkischen alten Weibe berichten, er habe ein solches Angebot ausgeschla-gen, ward ihm erst recht angst und bange. So setzte er denn sein Zeichen unter das Pergament, nahm das Gold in Empfang und begab sich zuerst grübelnd, dann aber immer freudiger erregt, auf den Heimweg.

Nun war für den Bauern das Ende aller Mühsal gekommen. Er erwarb mit dem ausgehandelten Gelde ein stattliches Haus am Rande der Stadt, kleidete sich und seine Familie mit feinstem Tuch und gedachte, nun sorglos, bedient von einem beachtli-chen Gesinde, wie ein Herr von hohem Stand zu leben.

Rätselhaft dünkte es ihm jedoch, was sein Handelspartner mit dem erworbenen Wind wohl anstellen. würde. Von diesem sah man, dass er große Mengen Steine und Bauholz heranschaffen ließ und nach nur kurzer Zeit stand ein mächtiges Bauwerk dort, wo der Wind von des Bauern Acker herwehte, umgeben mit hohen Mauern ausgestattet und mit mächtigen Schornsteinen. Diesen entquoll nach einer weiteren kurzen Zeitspanne dunkler Rauch, der oft das ganze Tal und nicht selten auch die Höhen des nahehgelegenen Hahnenkamm ganz einhüllte. Nun hatte der Bauer sein Ackerland an einen rechtschaffenen Mann seines Dorfes verpachtet und erhoffte bald seinen ersten Zins. Wie aber erschrak er, als der Mann am Zahltag mit leeren Händen vor ihm stand, Tränen in den Augen und ein krankes Kind auf dem Arm. Seine ganze Ernte, klagte er, habe der Rauch des Windkäufers zer-fressen und verdorben, seine Familie sei zum Sterben krank, und er wisse nicht, wo-her er noch einen Pfennig Geld nehmen sol-le. Und zum Schrecken des Bauern kamen noch mehr von seinen einstigen Nachbarn, gebeugt wie Greise, die ihm Vorwürfe mach-ten, wie er die Luft zum leben habe feilbieten können, wo dieser Handel ihnen doch jetzt zum Verderben gereiche und sie hier kein Auskommen mehr hätten. Denn nicht nur die Äcker würden nicht mehr tragen, sondern auch der Wald würde licht wie des Bettelmanns Rock und könnte keinen mehr ernähren, so dass sie ihr Glück, wenn dieser Zustand andauere, wohl in der Fremde suchen müßten.

Arg plagte den Windverkäufer nun das Gewissen und er wurde vorstellig bei dem Herrn aus dem Norden, den er inbrünstig bat, den Handel doch wieder rückgängig zu machen. Das fehlende Gold wolle er schon wieder aufbringen und ihm notfalls auch noch einen hohen Zins zahlen. Für den bislang in Anspruch genommenen Wind sei er bereit, ganz auf seinen Obulus zu verzichten.

Wie lachte aber da der Herr der gekauften Lüfte. Fünfzehn Jahre sei er umhergezogen, um einen Schelmen zu finden, der sich auf diesen Handel einließe. Der Bauersmann solle wissen, dass er ein ehrenwerter Herr sei, dessen Pakt auch durch den Teufel nicht aufzulösen sei.

Tief betrübt und ratlos schlich der arme Mann von dannen. In seinem Garten suchte er Zerstreuung, sah dort aber zu seiner Verzweiflung, dass auch die angebauten Gemüse daselbst den üblen Winden nicht standgehalten hatten und in Fäulnis übergegangen waren.

Kahl ist seither die Landschaft um Alzenau und Kahl heißt auch das Flüßchen, an dem einst üppige Felder gediehen.

Man erzählt jedoch, dass es etliche Jahre später einigen schlauen Kahlgrundbauern gelungen sei, dem Herrn der Lüfte, der sich allzu sicher wähnte und sich nicht vorstellen konnte, selbst hinters Licht geführt zu wer-den, den Regen über seinem Gut abzukaufen. Dieser dünkte ihm ebenso wertlos wie einst seinem unglücklichen Handelspartner der Wind. Da dieser Regen nun aber die Borne speiste, die dem Flüßchen Kahl das Leben geben, ergriffen die Bauer Besitz von dem Wasser und leiteten es auf ihre Felder und in ihre Dörfer. So blieb dem Handelsmann bald das Wasser aus und er mußte sein Gewerbe aufgeben, woraufhin er das Land auf Nimmerwiedersehen verließ. Der Ort, an dem das geschah, heißt aber bis auf den heutigen Tag Wasserlos.

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Wohlan, sprach der Hoimann, wenn es denn in diesen Tagen so einfach sei, mit Wasser, Luft und Ländereien Handel zu treiben als wie mit Vieh und Trödelkram und hierüber Verträge gefertigt würden, die ein jeder auch ohne feierlichen Schwur und fürstlichen Segen einhalten müßt, so könnte sich wohl jedermann glücklich preisen, der einen dummen gefunden, welcher einen solchen unterschrieben. Wie aber sei dem noch zu helfen, der dabei über den Löffel barbiert?

In solcher Lage könnt jeder, der in seinem Rechte sich beschnitten sähe, nach Belieben einen Beistand sich nehmen und vor das Gericht ziehen, antwortete der Bamberger. Dabei müsste er jedoch peinlich darauf achten, dass er nicht zuviel einforderte; denn, wenn das Gericht dieses rügen müßte, bekäm er nur einen Teil davon und müßt ein groß Teil der Kosten für Gericht und Advokaten tragen, so dass ihm wenig bliebe; er müßt also bescheiden sein und auf ein groß Teil dessen verzichten, was er gefordert. Dann bekäm er wohl alles, was er eingeklagt, müßt aber vom anderen Teil Abstand nehmen. Und wenn der Beklagte ein schlauer oder reicher Mann, so könnt er Gutachter, die allgemein wohlfeil, in seine Dienste stellen. Die würden es wohl zu verhindern wissen, dass der Beklagte zu Schaden käme. Das aber könnt leicht eines armen Mannes Ende sein, denn unterläge er am Ende, könnte der Schulden Last ihn wohl an den Bettelstab bringen. Und er erzählte dem Hoimann aus dem Schatz seiner Erfahrungen:

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Quelle: E-Mail-Zusendung von Hartmut Haas-Hyronimus, vom 8. November 2004, Hoimanns Erzählungen, Nr. 6