4. Die gottverlassne Bauersfrau
Es war ein Bauersmann im Löwensteinischen bei Wertheim seit geraumer
Zeit seines Weibes überdrüssig, so dass er im Dorfe und auch
anderswo der Hurerei nachging und sein Weib allein die Arbeit verrichten
ließ. Die aber wollt dies sich nicht gefallen lassen, und da sie
es gewesen, die den Hof in die Ehe eingebracht, so plagte sie auch die
Sorge, dass ihr ungetreuer Gatte einen Kegel in die Welt setzte, dem dann
nach ihrem Ableben der Hof übereignet, denn ihr selbst waren Kinder
versagt geblieben.
So wandte sie sich an das fürstliche Gericht und bezichtigte ihren
Gemahl dort vor Amtmann und Zeugen der Hurerei. Als der jedoch von den
hohen Herrn peinlich verhört wurde, da wollt er nichts eingestehen,
und auch das lose Weibsstück, bei der der Bauersmann aus- und eingegangen,
wollte, da man sie in den Zeugenstand gerufen, sich an ein Schäferstündchen
mit dem wackeren Bauersmanne nicht mehr erinnern, so dass die Bauersfrau
am Ende der Lächerlichkeit preisgegeben ward. Es fehlte nur noch,
dass man sie in die Geige gespannt und zum Gespött aller durch das
Dorf geführet hätte.
Nun aber hub die Frau ein groß Gezeter an, wem die irdische Gerechtigkeit
denn dienen sollte, und bezichtigte Gericht, Schreiber, Zeugen und Amtmann,
dass sie wohl mit ihrem Manne unter einer Decke steckten. Und sie beschwor
die Heiligen und die Dreifaltigkeit, dass sie die Wahrheit gesaget und
der Himmel würd Zeugnis für sie ablegen. Darob befand das Gericht,
dass wohl nur ein Gottesurteil mochte den Streit klären.
Also stellte man den Mann in eine Grube, allwo er bis an die Hüften
stand und gab ihm einen Knüttel in die Hand. Der Frau reichte man
ein Tuch mit einem Pfundsteine darin, damit sollt sie dem Mann den Schädel
einschlagen oder aber ihn aus der Grube herausziehen. Dann aber sollt
man dem Manne den Kopf abschlagen. Sollt es indes dem Manne gelingen,
die Frau in die Grube zu ziehen, so müßte der Scharfrichter
der Frau die Hand abhauen. Dieses ward wohlweislich so gewählet,
weil ein schwach Weib schwerlich würd einen Mann besiegen können.
So ging es in den Kampf, und der Mann, der ein groß Raufbold war,
hatte gar bald sein Weib am Fuße erwischt und hingestreckt und auch
das Tuch mit dem Steine in seine Gewalt gebracht. Kräftig hagelten
nun die Hiebe auf Nacken und Glieder des armen Weibs und der streitbare
Gatte schickte sich an, dasselbe mit Leichtigkeit zu sich in die Grube
zu ziehen. Da fuhr jedoch noch einmal eine große Kraft in das Weib,
sie bekam den streitenden Gemahl ans Gemächte zu packen und hob ihn
geradewegs hinan, so dass nur noch ein kleines Stücklein fehlte,
und er hätte den Halt und sodann auch seinen Kopf verloren. Da aber
fuhr aus den dunklen Wolken, die sich über der Richtstätte zusammengezogen
hatten, ein gar schrecklicher Blitz, der spaltete den großen Lindenbaum,
unter dem der Streit ward anberaumet, in zwei Teile und derselben eines
warf die Frau nieder, so dass sie noch am gleichen Orte verstarb.
Die, die es gesehen, fielen auf die Knie und sahen das Urteil vom Allerhöchsten
gesprochen. Der Mann aber, dessen Unschuld so mit göttlicher Hülf
erwiesen, ward vom Gericht von allen Vorwürfen freigesprochen und
er erhielt den Hof, auf dem er gelebt, allein zugesprochen nebst einer
stattlichen Summe Goldes, das seiner Frau zum Erbteil von den Ihren bestimmt.
So aber die Monde ins Land gingen, da ward offenbar, dass des Bauersmann
Gespielin nicht nur mit Worten mit ihm gescherzet, und als der Winter
hereinbrach, da hing das Frauenzimmer tot an einem Baum und unter ihr
lag ein schreiend Knäblein, das war dem Bauersmann wie aus dem Gesicht
geschnitten. Dem letzten, der sie gesehen, hatte sie aber noch aufgetragen
dass das Kindlein den Namen des Bauersmann tragen sollt, denn dem hätt
sies auch zu verdanken.
Nun aber schalten die Leute des so schauerlich dahingerafften Bauernweibes,
dass das Gericht ihrem Sproß groß Unrechts getan, das wieder
gut gemacht werden müßte. Und sie begehrten den Hof und das
Gold, das zu ihm gegeben, als ihr eigen und zogen so vor das fürstliche
Gericht. Dort aber sprach der Richter, der einst das Gottesurteil verfügt,
Recht sei von oben gesprochen, und wenn es der Allerhöchste so gewollt,
könnt er als seine Kreatur es nicht umkehren. Wenn sie aber mit ihrem
Gotte rechten wollten, möchten sie zum Pfarrer gehen und vor ihm
klagen.
Alsbald erschienen Geschwister, Vater und Mutter des Weibes vor dem hochwürdigen
Herrn und frugen, wenn schon das Urteil des Allmächtigen unfehlbar
sei, so möchte er ihnen doch Klärung geben, wie sein Urteil
zu verstehn. Derhochwürdige Herr jedoch gab zur Antwort, was der
Erlöser seinen Gläubigen versprochen, sei himmlische Gerechtigkeit.
Wem aber Gerechtigkeit im Himmel widerfahre, der möge sie nicht hienieden
auf Erden einfordern.
Die Leute wollten aber nicht Ruhe geben und frugen, ob es denn recht wäre,
dass der unselige Bauersmann mit dem Gut und Geld des unschuldig verworfenen
Weibs ein unbeschwert Leben führen könnte; auch ein neues Weib
hätte er gefreit. Der heilige Mann jedoch entgegnete, wer schuldig
und wer nicht, das erfasse nur die Weisheit des Allerhöchsten. Der
aber habe auch gesprochen, Du sollst den Herrn, deinen Gott nicht versuchen.
Und wieder drängten die Geschwister, nicht ihr Sproß habe die
Versuchung des Herrn herbeigeführet. Da wandte sich der Pfarrer ab
und begab sich wieder in sein Haus. Und Gut und Geld verblieben bei dem
Bauersmann, der Leichnam seiner alten Frau mußt jedoch weiter auf
dem Schindanger ruhen.
Das Bäuerlein selbst nahm jedoch von seinem Golde den hundertsten
Teil und gab ihn an die Armen des Dorfes und die Vaganten, die des Weges
zogen. Die bevölkerten sodann in großen Scharen das Kirchlein
des Ortes, wo sie Fürbitte für den Seelenfrieden des gnädigen
Spenders leisteten. Und der Pfarrer sah es mit Wohlgefallen und gab ihnen
den weisen Spruch auf den Weg, dass jeder nur durch die Gnade des Herrn
die ewige Seligkeit erlangen könne.
* * *
Der noble Herr vom Gerichte schien nun sehr beeindruckt und nannte den
Vorfall faszinierend. Würden dergleichen Fälle in Betracht gezogen,
so sei das Gottesurteil in principio wohl nicht anfechtbar. Indes sei
nicht bekannt, ob ein solch Eingreifen, das mit dem Ableben der Frau endete,
der Rechtsfindung wahrlich gedienet. Denn da der Streit nicht den Tod
der Frau vorgesehen, könne die göttliche Entscheidung nicht
Bestand haben, nur, bei wem wolle man sich berufen? Schier ausweglos wäre
es angesichts dessen, unschuldig verdammte vor den Gerichten zu finden.
Der Hoimann pflichtete ihm bei. Er sollte stattdessen nach Wesen von höchster
Reinheit sehen, wie sie auf dem Lande, unbefleckt und in Einfachheit aufgewachsen,
noch zu finden seien, und in ihrer Nähe weilen. Viele der reinen,
unschuldigen Maiden verbrächten ihre jungen Jahre im Walde und an
den Weiden in den einsamen Tälern des Spessartwaldes, so in den einsamen
Mühlen in den Bachgründen. Deren aber, warf Knobel ein, wären
wenige geworden, und er berichtete von der letzten, die ihm bekannt worden.
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Quelle: E-Mail-Zusendung von Hartmut Haas-Hyronimus, vom 8. November 2004, Hoimanns Erzählungen, Nr. 4