Anmerkungen und Zusätze
Zu 3. "Eine grosse und eine kleine Schwester" lautet nach volksthümlichem Ausdrucke: "una sorellona e una sorellotta".
Zu 4. In der Gegend von Roveredo bezeichnet man alte Frauen, welche knauserig und mürrisch sind, gern mit dem Ausrufe: "0 che mare de San Pero!"
Zu 5. In Roveredo nennt man das Todtengerippe auf der schwarzen Fahne, welche bei Begräbnissen vorangetragen wird, "la Cattarinetta"; im obern Valsugana heisst es " Cattarinella. Im Nonsberg nennt man es "la comare giusta* (die rechte Gevatterin) und es wird dort darüber die allbekannte Geschichte vom Tode als Gevatter erzählt.
Zu 6. Mitgetheilt aus Valsugana; eine schwächere Variation wurde mir auch aus dem Nonsberg bekannt.
Zu 12. Diese drei Märchen, welche eben so auch als Sagen betrachtet werden können, da bezüglich des ersten dafür sogar eine besondere Stelle in Vallarsa genannt wird, wurden hier eingereiht, weil in den vorhergehenden so viel von "Hexen" die Rede ist. Für 1 und 2 vergleiche die unten folgende Beatriksage 5.
Zu 15. Die Sprüche, welche befehlend an die. drei Stücke gerichtet werden, lauten wällsch: "Asenc... denari", "manipol parcccia" (d. i. apparecchia — genau genommen bezeichnet man mit "manipol" die Serviette), " baston, mòvete" und "baston, fermete". Dieses sehr volksthümliche Märchen wird in mancherlei Variationen erzählt. Nach einer derselben sind es drei Brüder, welche nach einander die drei Stücke gewinnen. Der erste dient bei einem Bauer, welcher ihm wegen Armut am Ende des Jahres keinen Lohn zahlen kann und dafür einen Esel gibt. Zornig darüber, sich nichts Besseres verdient zu haben, jagt er den Esel auf der Strasse dahin, dass unter dessen Hufen die Funken stieben; am Wege, sizt eine blinde Hexe, dieser fliegt ein Funke in's Auge und sie wird sehend. Zum Danke verleiht sie dem Esel die bekannte wunderbare Eigenschaft, sein Eigenthümer aber wird vom Wirthe betrogen. Der zweite Bruder dient bei demselben Bauer und erhält einen Tisch, den er voll Unmuth mit grossem Gepolter auf der Strasse vor sich hinrollt. Davon erwacht eine Hexe, welche schlief und von einer giftigen Schlange bedroht war. Zum Danke verleiht sie dem Tische jene wunderbare Eigenschaft, welche im vorerzählten Märchen das Tischtuch an sich hat; aber sein Eigentliümer wird ebenfalls vom Wirthe betrogen. Darauf dient der dritte und jüngste Bruder bei demselben Bauer und bekommt gar nur einen hölzernen Schlägel. Wüthend schlägt er damit an alle Häuser, an denen er vorübergeht; in einem derselben wohnt eine taube Hexe, welche von dem Lärme hörend wird. Zum Danke ertheilt sie dem Schlägel die wunderbare Eigenschaft, welche im erzählten Märchen der Stock hat und der glückliche Eigenthümer löst nun dadurch, dass er den diebischen Wirth nach Gebühr durchprügeln lässt, die gestohlenen Gegenstände seiner Brüder wieder aus.
Zu 17. Aehnlich, wie in Deutschtirol, wird in Wälschtirol auch von einem Schmiede (ferrèr) erzählt, welcher den Teufel und den Tod betrügt, zuletzt aber selbst den Tod suchen geht. Einer übrigens nicht verbürgten Andeutung zufolge soll die Geschichte des Stöpselwirthes auch von einem heiligen Waltram —San Beltramo — erzählt werden.
Zu 18. Dieses Märchen, welches an naiv poetischer Schönheit und Innigkeit wol alle andern dieser Sammlung übertrifft, wurde dem Herausgeber gütigst durch den wackern Studirenden Hrn. Em. Longo aus der Gegend von Borgo mitgetheilt.
Zu 19. Die Worte der ersten Jungfrau, wie sie um Wasser bittet, lauten:
"Amor mio, amor mio,
Dammi da bevere !"
Er erwiedert:
"Amor mio, amor mio,
Aqua non ghe n'ho!"
Sterbend seufzt sie:
"Amor mio, amor mio,
Morirò!"
Die Worte der Taube an den Koch lauten:
"Cogo, bel cogo,
Endormenzate al fogo.
Che l'arrosto se possa brusar
E la fiola della vecchia stria non ne possa magnar!"
Der Herausgeber hat so, wie es eben anging, bei der Erzählung eine Nachbildung versucht, welche nachsichtig beurtheilt werden möge.
Zu 20. Eine Variation hörte ich auch unter dem Namen: "I pomi d’oro" erzählen, da statt der drei goldenen Kugeln drei goldene Aepfel eintreten. Der Held derselben wird als uneheliches Kind ausgesetzt und von einem Müller erzogen. Weil aber die Kinder des Müllers ihn einen Bastard nennen, geht er in die Welt und erlebt fast die gleichen Abenteuer, nur tritt an die Stelle der Stute ein Zauberschwert und an die Stelle des Drachenblutes Tigermilch. — Eine weitere Variation der Fluchtscene ist mir nachträglich noch bekannt geworden und ist interessant genug, um dem Inhalte nach angeführt zu werden. Ein auf der Jagd verirrter junger König kommt in die Nähe eines Häuschens im Walde, das ohne Thüre ist. Da nähert sich eine alte Hexe dem Häuschen, tritt unter das Fenster und ruft:
"Bianca, bianca come la neve,
Rossa, rossa come 'na bracia,
Slòngame zò lo tue drezze d' oro!"
Darauf erscheint am Fenster ein wunderschönes Mädchen, lässt ihre langen goldenen Haarflechten hinab und zieht die Alte hinauf. Der junge König wartet bis zum nächsten Tage und sobald die Alte fortgegangen ist, schleicht er zum Häuschen, ruft dieselben Worte und wird hinaufgezogen. Das Mädchen erschrickt, wie sie ihn erblickt und erzählt ihm, sie befinde sich hier in der Gewalt der alten Hexe, diese werde ihn aber tödten oder verzaubern, sobald sie ihn finde. Der junge König erklärt sie für seine Braut und beredet sie zur Flucht. Sie nimmt Kamm, Spiegel und Scheere und sie entfliehen auf dem Pferde des jungen Königes. Nach einiger Zeit verfolgt sie die Alte auf einem Schweine reitend, das Mädchen wirft den Kamm hinter sich und es entsteht ein dichter Buschwald. Da ruft die Alte dem "Schweinchen" zu:
"Magna, magiia, porcelletto!"
und das Schwein frisst und frisst, bis es hindurch kommt. Dann ruft die Alte:
"Caga, caga, porcelletto!"
und das Schwein gibt alles wieder von sich und läuft so schnell wie früher. Wie die Alte wieder nahe ist. wirft das Mädchen den Spiegel hinter sich und es entsteht ein See.
"Bevi, bevi, porcelletto!"
befiehlt die Alte, das Schwein säuft den See aus und kommt hindurch. Dann ruft die Alte wieder:
"Pissa, pissa, porcelletto!"
und das Schwein gibt alles wieder von sich. Das dritte Mal wirft das Mädchen die Scheere hinab und es entsteht ein grosser Dornenwald.
"Magna, magna, porcelletto!"
befiehlt die Alte, aber vergebens, hier frisst das Schwein sich nicht mehr hindurch. Die beiden Flüchtlinge aber gelangen glücklich nach Hause und halten dort fröhliche Hochzeit.
Zu 22. Die Worte der Gänse: "Wir waren draussen* u.s.v. lauten wälsch:
"Siamo state sulla riva del mare,
Abbiamo mangiato, abbiamo bevuto,
La sorella del Tilio abbiamo veduto,
E bella bella,
Come ‘na stella
E presto sarà sposa del nostro signor".
Die Form ist gezwungen und die Verse mögen früher wol anders gelautet haben. ,Tilio" ist wol Abkürzung von Attilio, ein noch heute in Wälschtirol vorkommender, jedoch ziemlich seltener Name.
Zu 23. Eine ziemlich veränderte und abgeschwächte Variation dieses Sneewittchenmärchens ist kurz folgende: Drei Mädchen sassen auf einem Söller und spannen, die erste Flachs, die zweite gewöhnlichen Hanf ("canef" d. i. canapa), die jüngste aber feinen Hanf (canevella). Da ritt ein vornehmer Herr vorüber, sah die drei Spinnerinnen und sagte: "Die, welche Flachs spinnt, ist schön, —jene, welche Hanf spinnt, ist auch schön, aber jene, welche den feinen Hanf spinnt, ist die schönste." Am nächsten Tage gaben die beiden ältern Schwestern der jüngsten Flachs und am dritten Hanf zu spinnen, aber der Herr erklärte sie wieder beide Male für die schönste. Aus Aerger führten die beiden ältern Schwestern die jüngste in den Wald und liessen sie allein. Sie kam nun in ein Haus, wo der wilde Mann mit seinem Weibe wohnte; sie thaten aber dem Mädchen nichts zu Leide, sondern hielten es gut wie ihre Tochter. Durch einen Bettelmann erfuhren die beiden altern Schwestern, wo ihre jüngste Schwester sei. Eine ging verkleidet mit vergifteten Aepfeln hin und verkaufte einen dem Weibe des wilden Mannes, welche ihn dem Mädchen gab; allein kaum hatte es davon ein wenig gegessen, so fiel es wie todt hin. Der wilde Mann und sein Weib hatten grosses Leid und sie stellten das schlafende Mädchen an das Fenster. Als sie einmal abwesend waren, ritt jener vornehme Herr vorüber, setzte das Mädchenbild auf sein Pferd und ritt nach Hause. Dort stellte er es in einen Glasschrank und liess Niemanden in das Zimmer. Einmal verreiste er und vergass den Schlüssel. Da kam seine Mutter hinein und sah verwundert das schöne Bild; sie sann nach, was die Ursache dieses Zustandes sein möchte und meinte endlich, durch Wärme werde das Mädchen wieder zum Leben kommen. Sie trug es zum Herde; wie sie es aber hinaufstellen wollte, entschlüpfte es ihren Armen und fiel kopfüber zu Boden. Die Erschütterung bewirkte, dass das Mädchen die verschluckte Apfelschnitte wieder von sich gab und erwachte. Da war grosse Freude und als der Sohn zurückkam, hielt er Hochzeit. Sie ahnten aber beide, dass ihre Schwestern sie wieder zu verderben suchen würden. Diese erfuhren es wirklich wieder durch denselben Bettler und gedachten die jüngste Schwester durch zum Kaufe angebotene Schlingen oder Nesteln (stringhe) unversehens zu erwürgen. Allein im Augenblicke, als sie die schändliche That ausführen wollten, erschien der Gemal und erdrosselte beide. Darauf hatten sie für ihr glückliches Leben nichts mehr zu befürchten.
Zu 24. Von diesem allbekannten Märchen gibt es manche Variationen, von denen ich nur Eine mittheilen wollte. Die Ausdrücke: "Vom Aschenschaufelhieb" und "vom Feuerzangenschlag" klingen im Deutschen in ihrer je dreifachen Zusammensetzung viel auffälliger, als im wälschen Dialekte in ihrer einfachen Ableitung von Participien; "dalla palettada" (paletta, von pala, Schaufel) und "dalla mojettada" (von la molletta"). Die Anspielung wird dadurch eine feinere und drückt das, was sie besagen will, doch mit volksthümlicher Deutlichkeit aus.
Zu 26. Die drei Schönheiten der Welt heissen wälsch: "L'usellin, che parla — l' aqua, die balla — l' arbol, che sona."
Eine sonst nicht abweichende Variation kennt die Donnerschläge auf dem Zauberberge nicht, sondern nur viele süss bittende und flehende Stimmen, welche den Vorübergehenden zum Umsehen bewegen wollen; schaut er um, so wird er zu Stein. Ebenso stellt sie der Zaubersalbe ein Zauberstäbchcn (bacchetta magica) unter.
Viel beträchtlicher ist dagegen die Abweichung in einer andern Variation, die hier auszugsweise angeführt werden soll. Ein junger König zieht in den Krieg und in seiner Abwesenheit kommt seine Gemalin mit drei Kindern, nämlich zwei Knaben und einem Mädchen, nieder; alle drei haben sie schöne goldene Haare. Die alte Königin aber lässt die Kinder in einen Korb legen und in einen Bach werfen, der sie zu einer Mühle trägt, wo sie vom Müller gefunden und erzogen werden. Die junge Königin aber wird in der Küche unter der Abgussplatte eingemauert und nur durch das Mitleid der Mägde, welche ihr immer heimlich etwas zukommen lassen, am Leben erhalten. Unterdessen kehrt der König heim. Mehrere Jahre ver-gehen und die Kinder in der Mühle werden gross. Einmal gerathen sie mit den andern Kindern des Müllers in Streit und werden von diesen Bastarde genannt. Nachdem der Müller auf ihre Frage sie über ihre Aufnahme in der Mühle belehrt hat, ziehen sie in die Welt, ihre Aeltern zu suchen und leben davon, dass sie von Zeit zu Zeit ihre goldenen Haare verkaufen. So kommen sie in die Stadt des Königs, welcher sie in der Kirche sieht und zu seiner Tafel einladet. Die alte Königin erfährt es und schickt ein vertrautes Weib zu den Kindern, welche den ältesten Sohn beredet, sogleich zur Gewinnung der drei Schönheiten und zwar zunächst der ersten, des singenden Apfels (el pom, che canta) auszuziehen. Er kommt in einen Wald zu einem Alten, welcher ihn belehrt, der singende Apfel befinde sich auf dem nahen Berge inmitten von Schlangen, er solle sich daher ganz mit Spiegeln umbinden, um die Schlangen fliehen zu machen. Er thut es und kommt mit dem singenden Apfel glücklich heim. Darauf sieht der König die Kinder wieder in der Kirche und ladet sie abermals zur Tafel. Aber das Weib der alten Königin beredet den zweiten Sohn, zur Eroberung der zweiten Schönheit der Welt, des tanzenden Wässerleins (l’ aqua che balla), auszuziehen. Dieses befindet sich auf einem Berge hinter jenem ersten; der Knabe trifft wieder jenen Alten und bringt mittelst umgebundener Spiegel das tanzende Wässerlein aus der Mitte der Schlangen glücklich heim. Der König sieht abermals die Kinder, macht ihnen Vorwürfe und ladet sie zur Tafel. Da beredet das Weib der Königin den ersten Sohn, auch zur Eroberung der dritten Schönheit der Welt, des schönen grünen Vögeleins (l'usellin bel verd) auszuziehen. Der Alte im Walde belehrt ihn, es sei in einem Thale hinter dem zweiten Berge und er müsse zwischen zwei engen hohen Säulen hindurchreiten, ohne dass er oder das Pferd sie berühre. Das Pferd aber berührt die Säulen mit dem Schweife und Ross und Reiter werden zu Stein. Der zweite Bruder aber gelangt glücklich zum schönen grünen Vögelein, nimmt auf sein Geheiss eine weisse Feder unter seinen Flügeln heraus, berührt damit alle Statuen und verwandelt sie wieder in Menschen; dann kehrt er mit dem Bruder heim. Nun gehen die Kinder zur Tafel des Königs; das Mädchen verlangt, dass auch die, eingemauerte Frau zu Tische komme. Dies geschieht, aber der König erkennt sie nicht, weil er sie für todt hält, und sie schweigt. Darauf lassen sie die drei Schönheiten der Welt bringen und ergötzen sich daran. Zulezt fragt das Mädchen das schöne grüne Vögelein, wer ihre Aeltern seien. Nun enthüllt das Vögelein alles, Aeltern und Kinder erkennen und umarmen sich und die böse alte Königin erhält den verdienten Lohn.
Zu 28. Von diesem auch unter dem Namen "el pescador" oder "la fiaba del re delle pesce" (statt — dei pesci, der Fische) allbekannten Märchen gibt es viele Variationen. Eine derselben enthält folgende Abweichungen. Ein Fischer fängt einen ungeheuern Fisch, das ist der König der Fische, welcher dem Fischer verspricht, er werde immer viele Fische fangen, wenn er ihn freigebe. Der Fischer thut es und fängt ihn darauf ein zweites und ein drittes Mal, da behält er ihn. Er bekommt nun zwei Söhne, zwei Hunde, zwei Pferde und zwei Lanzen. Beide Söhne ziehen, sobald sie gross sind, zugleich aus und kommen zu einer Alten, welche jedem eine kleine Flasche mit hellem Wasser gibt, mit dem Bedeuten, wenn sich das Wasser trübe, sei es ein Zeichen, dass dem andern Bruder ein Unglück zugestossen sei. Darauf trennen sie sich. Der ältere Bruder erlegt einen Drachen und befreit eine Königstochter; sie verspricht ihm die Heirat und gibt ihm ein Pfand, da er noch weiter ziehen muss. Aber ein Schuster zwingt die heimkehrende Prinzessin zu sagen, er habe sie befreit und hält darauf mit ihr Hochzeit. Während des Males erscheint der wirkliche Befreier und der Schuster wird verbrannt. Am folgenden Tage sizt er mit der Prinzessin auf der Altane und sieht ein hellerleuchtetes Schloss, wo nach Angabe der Prinzessin eine böse Hexe wohnt. Er geht heimlich hin; da kommt ihm die Alte mit der Wärmepfanne entgegen und sagt: "Blas doch, ich habe kalt!" Er bläst und wird in Stein verwandelt. Darauf befreit ihn der jüngere Bruder in ähnlicher Weise, wie im mitgetheilten Märchen. Der Zug, dass der andere Bruder nachts zwischen sich und die Prinzessin das blanke Schwert in das Bett legt, kommt auch in dieser Variation vor.
Zu 30. Die Worte des Alten: "Goldene Laterne u. s. w." lauten wälsch: "Lanterna d'oro coi stoppini d'arzent, dorme o veglia la mia signora!"
Ferner:
Se i galli non cantassero,
Se le campane non suonassero,
Se le ore non battessero,
Tutta la notte qui staria
A farti compagnia, o bell' anima mia!"
Zu 31. Das Haus des Teufels* — "a casa del diavolo" — ist eine in Wälschtirol öfters gebrauchte Redeweise.
Zu 32. In einer Variation dieses Märchens fehlt der charakteristische Eingang und der Teufel kommt als unbekannter Freier in das Haus der drei Mädchen. Er gibt seinen Frauen statt der Rose einen Apfel, welcher welk und faul wird, sobald sie die verbotene Thüre öffnen. Nur die dritte legt den Apfel vorher in Mehl, wodurch sie denselben frisch erhält.
Wie sie sich das dritte Mal vom Teufel selbst wegtragen lässt, täuscht sie ihn durch eine weibliche Strohfigur, welche sie an den Brunnen stellt, als ob sie wasche. Am Ende wird der Teufel, da er keine Frau mehr hat, so zornig, dass er vor Wuth und Galle "krepirt* (l' è crepá). — Zur Wiese vor der Hölle vgl. Simrock's Mythologie S. 472.
Zu 38. Die Worte des Zauberers: "Ich wittere Christengeruch u. s. w." sind gewöhnlich jene des wilden Mannes, mit denen er auftritt, wenn Jemand in seinem Hause sich versteckt hat: sie lauten reimweise auf wälsch:
"Tim tim tim
Odor de cristianim,
0 che ghe n' è o che ghe n' è stà
0 che 'n vegnirà."
Gerhard — wälsch als Diminutiv: Girardim. — Das Märchen wird in vielen Variationen erzählt, deren Kern immer die drei Marternächte bilden. 36 ist, wie angedeutet, aus Fassa, 37 aus Vallarsa, 38 aus der Gegend von Rovoredo. Statt der Taube wäre in 38 wol ein Adler besser am Platze, aber ich wollte es, wie überall, genau so wiedergeben, wie ich's erzählen hörte.
Zu 39. Dieses urwüchsige Märchen wurde mir durch den Studirenden Herrn J. Zacchia, dessen Gefälligkeit ich auch die übrigen Mittheilungen aus Fassa verdanke, im Fassaner Dialekte aufgezeichnet gütigst mitgetheilt; derselbe, selbst aus Fassa stammend, ist ein genauer Kenner jenes noch wenig erforschten interessanten Dialektes. "Fillomusso" ist wol ein entstellter Latinismus: filius mussae. Das Märchen ist mir ausserdem noch in drei verschiedenen Variationen bekannt geworden, welche hier kurz wiedergegeben werden sollen. Die erste derselben ist aus Nonsberg, die zweite aus dem Lederthal, die dritte aus Vallarsa.
A. Ein Mann und ein Weib nahmen einmal ihren noch ganz kleinen Knaben mit sich auf das Feld. Dort raubte ihn eine Bärin, trug ihn in ihre Höhle und nährte ihn mit Eicheln und Waldfrüchtcn. Der Knabe wuchs und wurde sehr stark und als er zwanzig Jahre alt war, schickte ihn die Bärin wieder nach Hause. Da sagte er seinen Aeltern, er sei ihr Sohn und sie nannten ihn "Gian dall' Orso" (Johann vom Bären). Seine Aeltern konnten ihm nicht genug zu essen geben, denn er wurde nie satt. Da verlangte er drei Zentner Eisen und zwang seine Mutter so lange betteln zu gehen, bis sie es hatte. Mit einem daraus geschmiedeten Stocke ging er sein Glück suchen. In einem Walde fand er einen Riesen, der hatte einen Stock von Blei und hiess Barbiscat (soll wol "Katzenbart" bedeuten).
Beide gingen und trafen einen andern Riesen, der hatte einen Stock von Holz und hiess ," Testa de molton" (Widderkopf). Sie kamen alle drei in eine Stadt; da war ein Haus, in welchem die Zauberer (i maghi) wohnten und die drei beschlossen dieselben zu tödten. Die erste Nacht ging der Widderkopf hin. Um zwölf Uhr Mitternacht kam ein Zauberer, der sah den Riesen zornig an und sagte: "Erdenwurm, was suchst du hier?" Da fürchtete sich der Widderkopf und der Zauberer liess ihn entfliehen. Eben so erging es in der zweiten Nacht dem Katzenbart. In der dritten Nacht ging Gian dall' Orso hin, der fürchtete sich nicht, sondern streckte den Zauberer mit wuchtigen Hieben zu Boden und ging, um die zwei Riesen zu holen. Sie fanden den Zauberer nicht mehr, wol aber Blutspuren, diesen gingen sie nach und kamen zu einem Loche. Hier liess sich Gian dall' Orso an Stricken hinab und fand unten ein Gemach, da lag sterbend der Zauberer, welchen er in der letzten Nacht so übel zugerichtet hatte. Aber Gian dall' Orso erschlug noch drei andere Zauberer und befreite so eine wunderschöne Jungfrau. Die Riesen zogen sie hinauf, ihn aber liessen sie unten. Da sah er herum und bemerkte etwas Leuchtendes. Es war ein Ring, den nahm er und rieb ihn an der Mauer. Sogleich kamen zwei Mohren und fragten, was er befehle. "Ich befehle", sagte er, "dass ein Adler komme und mich hinauftrage.". Sogleich brachten sie einen grossen Adler, "aber", sagten sie, " er muss gut gefüttert werden." Da liess er sich zwei fette Rindsschenkel bringen, sezte sich auf den Adler und fütterte ihn, bis er oben war. Dann ging er in die Stadt und stellte sich dem Könige als Befreier seiner Tochter vor, welche ihn erkannte und die Wahrheit bestätigte. Da liess er die beiden Riesen tödten; Gian dall' Orso aber bekam viel Gold und Silber, ging nach Hause und lebte dort glücklich und im Frieden.
B. Einmal arbeitete ein Weib auf dem Felde, da kam ein Bär und trug sie in seine Höhle. Alle Tage brachte er ihr zu essen. In der Zeit, als sie in der Höhle war, kam sie mit einem Knaben nieder. Dieser war von ausserordentlicher Stärke und als er neun Monate alt war, versuchte er schon den Berg in die Höhe zu heben, aber er war es noch nicht im Stande. Als er zwei Jahre alt und der Bär einmal abwesend war, versuchte er es wieder und es gelang; er hob den Berg auf und ging mit seiner Mutter nach Hause. Er wurde getauft und erhielt den Namen "Giuan dall' Urs" (Johann vom Bären). Er wurde auch in die Schule geschickt; hier aber schlug er die Kinder, wenn sie ihm Übernamen gaben und einmal warf er sogar den Lehrer und den Geistlichen über die Stiege hinab. Da wurde er in den Kerker gesezt; als er aber müde war dort zu bleiben, hob er die Thüre aus, ging zum Richter und sagte: "Gib mir ein Schwert, sonst bring' ich dich um!" Der Richter fürchtete sich und gab es ihm. Dann nahm er von seiner Mutter Abschied und ging in die Welt. Zuerst begegnete er einem Seiler, dann einem Bäcker, welcher "boca da furn" (Ofenloch) hiess und sie gingen nun alle drei mit einander. Sie kamen in ein Schloss im Walde und gingen hinein. Niemand war zu sehen; im Saale stand eine wolbedeckte Tafel, daran sezten sich die drei und asen und tranken, dann schliefen sie und am Morgen gingen sie in alle Zimmer, fanden jedoch Niemanden. Dann gingen Giuan dall’ Urs und Ofenloch auf die Jagd und sagten zum Seiler: "Bleib hier und wenn jemand kommt, so läute mit dem Glöcklem, welches dort in der Ecke steht und wir werden gleich da sein". Bald kam ein altes Männchen mit eisgrauem Barte und der Seiler wollte zum Glöcklein laufen, allein der Alte fasste ihn und gab ihm furchtbare Schläge. Am zweiten Tage blieb Ofenloch zu Hause, aber auch er erhielt, was der Seiler bekommen hatte. Am dritten Tage blieb Giuan dall' Urs zu Hause. Als der Alte kam, warf ihn Giuan auf den Boden, band ihm die Arme auf den Rücken und hing ihn an einem Nagel an der Wand auf. Als die andern kamen, wollte er ihnen den Alten zeigen, aber am Nagel hing blos der Bart desselben. Nun blieb Giuan am folgenden Tage wieder zu Hause und schlug dem wiederkehrenden Alten den Kopf ab. Dann rief er seine Gefährten; indessen stand der Alte wieder auf und sie sahen nur noch, wie er in einen tiefen leeren Brunnen hinabsprang. Giuan liess sich an Stricken hinab und kam unten zu einer hölzernen Pforte. Als er dreimal geklopft hatte, kam eine schöne Jungfrau heraus, die warnte ihn, er aber versprach sie zu befreien und versteckte sich im Gemache. Da kam ein alter Zauberer und rief:
"Tin tin tin
Sento udur de cristianin,
Se no i gh' è
I gh' è stè!"
Sie wollte es ihm ausreden, er aber ging suchen. Da sprang Giuan hervor und erschlug ihn; die Jungfrau aber liess er hinaufziehen. Dann kam er zu einer eisernen und darauf zu einer goldenen Pforte, erschlug nach einander noch zwei andere Zauberer und befreite zwei andere noch schönere Jungfrauen. Er liess diese und sich selbst hinaufziehen; dann führten sie die drei Jungfrauen, welche Prinzessinnen waren, zu ihrem Vater und hielten fröhliche Hochzeit.
C. Ein König hatte drei Söhne und auch einen Garten, darin standen drei Nussbäume, an welchen goldene Nüsse hingen. Eines Morgens bemerkze er, dass dio schönste Nuss fehle; er suchte, fand sie aber nicht.
Am folgenden Morgen fehlte wieder eine und als der König sie nicht finden konnte, wurde er sehr betrübt. Da sagte der älteste Sohn: "Vater, gib mir zwölf Soldaten, ich will nachts im Garten wachen". Der König gab sie ihm, er ging und baute sich im Garten eine Hütte. Dort legte er sich nieder und schlief die ganze Nacht; am Morgen aber fehlte wieder eine Nuss. Dann sagte der zweite Sohn: "Vater, gib mir sechs Soldaten, ich will heute nachts im Garten wachen". Der König gab sie ihm und er wachte die ganze Nacht im Garten, ohne zu schlafen, aber es blieb alles ruhig; nur um Mitternacht glaubten sie ein Säuseln des Windes in den Bäumen zu hören. Am Morgen jedoch fehlte abermals eine Nuss. Da sagts der jüngste: "Vater, erlaube mir, nachts allein im Garten zu wachen". Der König erlaubte es ihm, er ging und stieg auf den Nussbaum, indem er das blanke Schwert in der Hand hielt. Um Mitternacht kam der Wind und als es im Baume rauschte, führte der Prinz einen kräftigen Hieb und hörte, wie etwas zu Boden fiel. Am Morgen fehlte keine Nuss, unter dem Baume aber lag ein grosser abgehauener Arm und durch den Garten ging ein Blutstreif. Da erbat sich der Prinz von seinem Vater die Erlaubniss, gehen und sehen zu dürfen, was es sei. Er ging dem Blutstreif nach über Berg und Thal bis zu einer grossen Felsenplatte auf einer Bergwiese. Unweit davon waren Leute damit beschäftigt, die Schwaden des gemähten Grases in "Scheiben" auszubreiten (trar en saibe); der Prinz rief sie und bat sie die Felsenplatte aufzuheben. Darunter war ein grosses Loch, welches tief in die Erde hinabging. Nun befahl der Prinz, ihn an Stricken hinunter zu lassen und zu warten, bis er wieder käme. Als er unten war, sah er eine grosse Ebene und kam zu einem alten Manne und einer alten Frau, welche die Schafe hüteten. Sie warnten ihn weiter zu gehen und zeigten ihm einen grossen Palast; darin wohnten drei Zauberer und viele schöne Jungfrauen, welche sie den Königen der Erde geraubt hatten. An der Pforte wachte ein Tiger, dem der Prinz ein getödtetes Schaf vorwarf, dann ging er hinein und erschlug zwei Zauberer (denn sie schliefen bei Tage, weil sie bei Nacht auf Raub ausgingen). Dem dritten, welcher wachte, weil er wegen des verlorenen Armes vor Schmerz nicht schlafen konnte, schleuderte er Sand in die Augen und erschlug ihn ebenfalls; die drei Leichen warf er dem Tiger vor. Darauf führte er die erlösten Jungfrauen heraus und liess sie hinaufziehen. Als er selbst hinaufgezogen werden sollte, sagte jene Alte: "Gebt Acht, dass sie Euch nicht einen bösen Streich spielen, bindet lieber zuerst einen Stein an, dann werdet ihr sehen". Der Prinz that es und als der Stein halb oben war, schnitten die oben den Strick ab und der Stein fiel mit grossem Gepolter herab. Die es aber thaten, waren des Prinzen eigene Brüder, denn sie waren ihm nachgegangen und führten nun die Jungfrauen nach Hause, um sich die schönsten auszuwählen und sie zu heiraten. Der Prinz aber blieb eine Zeit lang im schönen Palaste und ging auf die Jagd. Bald wurde es ihm zu langweilig und er zwang die beiden Alten, ihm ein Mittel anzugeben, wie er hinaufkommen könne. Da zog der Alte ein Pfeifchen heraus und pfiff und im Augenblicke flogen viele Vögel herbei, kleine und grosse von allen Arten und Farben. Der Prinz suchte sich einen Adler heraus, sezte sich darauf und gab ihm während der Fahrt ein Lamm zu fressen. Dann ging er nach Hause, wo seine Brüder eben Hochzeit hielten und erzählte dem Könige, wie alles zugegangen sei, Da liess der König die beiden ältern Söhne in einen tiefen Kerker werfen; der jüngste aber hielt mit der schönsten der Jungfrauen fröhliche Hochzeit, bekam nach dem Tode seines Vaters Thron und Krone und regierte glücklich und weise bis an sein Ende.
Eine vierte (mir bisher noch nicht in befriedigender Vollständigkeit bekannt gewordene) Variation soll auch unter dem Namen: "i tre paradisi" erzählt werden; der Held derselben ist ein Schäfer, dem von Zeit zu Zeit ein Schaf fehlt u. s. w.
Zu 40. Eine Variation weicht in folgender Weise ab. Drei Mädchen gehen in ein Feld arbeiten, da kommt eine grosse Schlange. Die beiden ersten fliehen, die dritte und jüngste aber bleibt, gibt dem Wurme zu fressen und macht sogar im Boden eine Höhlung, in welche sie Wein giesst, damit der Gast sich labe. Nun muss sie mit ihm in sein Haus im Walde gehen, wo er ihr Flachs zu spinnen, Tischtücher zu machen und Damast zu weben gibt, dabei unterstützt sie der Wurm (der Kamin kommt nicht vor) in geheimnissvoller Weise, so dass sie herrlich arbeitet. Darauf entflieht sie mit einem vornehmen Herrn, um dessen Frau zu werden; der Wurm aber verwandelt zur Strafe für die Flucht ihren Kopf in den einer Ziege. Nun will sich der Herr ihrer entledigen, wählt eine Anzahl Mädchen und darunter auch sie und gibt ihnen nach einander Flachs zu spinnen, Tischtücher zu machen und Damast zu weben mit der Erklärung, er wolle jene heiraten, welche am besten und meisten arbeite. Da holt sie jedesmal aus dem Hause der Schlange die dort verfertigte Arbeit und siegt so über ihre Nebenbuhlerinnen. Als sie aber das dritte Mal in's Haus der Schlange kam, sagte ihr diese: "Wenn du befreit werden willst, so musst du mich beim Hochzeitsmale unter deine Kleider nehmen und jede Speise mit mir theilen". Sie that so und nach dem Hochzeitsmale hatte sie wieder ihre rechte frühere Gestalt.
Zu 41. Auf dieses Märchen bezieht sich offenbar ein Kinderreimspruch, welcher indessen nicht vollständig zu hören ist; er beginnt: "Galletto becchetto; — gallina gastaldina, — oca badessa, — anedra contessa, uccia, che sponze — boazza, che onze, — stanga, cho dà, — spazzadora, che spazza" u. s. w.
Zu 51. Der (in der dritten Zeile entstellte) Reimspruch lautet wälsch:
"Pastorello mio, che in man mi tiene,
Sono stato ammazzato sulle pozze di Viena,
Nè per occaso nè per occasione,
Sol per la penna dell'uccello Sgriffone!"
mit den entsprechenden Variationen in den Wiederholungen. So heisst es auch am Anfange, der König sei "sulle pozze di Viena" auf die Jagd gegangen. "Sulle pozze" soll wol so viel sein, wie italienisch "sui poggi" d. i. auf den Anhöhen. Hinter "Viena" ist wol keine besondere Anspielung zu suchen, sondern darunter nur so viel wie Hauptstadt überhaupt zu verstehen, mit leicht erklärlicher volkstümlicher Redefigur. Ich hörte das Märchen von einer Alten in Lizzana erzählen.
Zu 52. Der Spruch: "Bleib fern drei Schritte" u. s. w. lautet wälsch:
"Anima terrena,
Stammi lontana tre passi
E raccontami la tua pena!"
Eine andere ähnliche Spruchformel lautet:
"Se sei anima di Dio,
Parla per parte di Dio;
Se sei anima terrena,
Raccontami la tua pena!"
Zu 53 und 54. Auch diese beiden Märchen — beide selbst nur Variirungen — werden in verschiedener Weise bald so bald anders erzählt. In Nr. 53 lauten die auf die Platte geschriebenen Worte:
"Zuam dal fort,
Che a zento e più ha dat la mort!"
In 54 dagegen :
"Zuam Valent
Che ha feri sette e mazzà zent!"
öfter mit dem scherzhaften Zusatze: "0 per non dir pù — zent e du (due)". Eine andere Variation ist, "Zuam quattordese" — Zuam, che ha mazza zent e struppià (storpiato) quattordese. — Das in 54 mit "Batzen" wiedergegebene Wort lautet wälsch "bezzi", Kleingeld, dann Geld überhaupt. Der Name Johann ist und war in Wälschtirol sehr häufig; kein anderer hat so viele Familien- und Geschlechtsnamen gegeben, wie dieser. Einfach sind: Giovannaz, Giovannazzi, Giovanella, Giovannelli, Giovannetti, Giovannini, dalla Giovanna; — Gianazzi, Gianetti, Gianeselli, Gianot; — Zanat, Zanetti, Zanettin , Zanettelli, Zanceto, Zanei, Zanella, Zanellon, Zanini, Zanol, Zanolli, Zanolini, Zanollo, Zanotelli, Zanoner, Zanner, Dalzani, — Zuanni, Zuannelli; — Tschan, Tschon, u. s. w. In Zusammensetzung mit Tauf- und Ortsnamen oder andern Namen: Zambiasi, Zampedri, Zampiero, Zandonai, Zandonati, Zangiacomi, Zanfranceschi, Zanluca, Zanvettor, Zanzana (Johann Johanna), Degiampietro, Giammoena, Gianordolo, Zambaldi, Zambelli, Zamboni, Zambotti, Zampari (pare-padre), Zancanella, Zaniei, Zamboni, Zanzotti, Zampiccoli, Zandarco (Johann von Arco), u. s. w. Alle diese Namen finden sich heute in Wälschtirol vor.
Zu 55. Der Reimspruch: "Was wird sie thun" u. s. w. lautet wälsch:
Cosa faralla? Cosa diralla ? Mi non so ;
Doman di sera lo porterò:
Cosa g'ho nome? Tarandandò!
Zum Schlusse ist zu bemerken, dass die .Spinnerinnen in Wälschtirol den Rocken beim Spinnen gewöhnlich unter dem Arme halten.
Zu 60. Unter dieser Rubrik wurde eine beschränkte Zahl sogenannter Spott- und Trutzgeschichtchen mitgetheilt, wie sie bald von diesem bald von jenem Dorfe erzählt werden. Es ist auch in Wälschtirol schwerlich ein Dorf zu finden, dem von den Nachbarn nicht irgend etwas zum Spotte nachgesagt würde. Auch das bekannte Lalenburger Geschichtchen vom Ochsen, der auf den Kirchthurm gezogen wird, damit er dort das Gras abfresse, wird in Wälschtirol von mehrern Dörfern erzählt. Im obern Nonsberg wissen die Leute die Uebernamen aller Dörfer in langem Reimspruche herzusagen; da gibt es "Christusverbrenner* (brusacristi), "Heiligenvertreiber" (scacciasanti), "Sterngucker" (mira le stelle) u. s. w. Sogar in Reimen neckt man sich; den Leuten von Mechel bei Cles, z. B., empfiehlt man, einen andern Kukuk zu schicken, denn der, den man habe, sei zu alt und könne nicht mehr singen:
"Cucù Cucù da Mechel,
Mandeme denter 'n cucù,
Che 'l nos è massa vecci,
Che nol pol cantar pù!"
Aber die von Mechel bleiben die Antwort nicht schuldig und erwiedern, wenn der Kukuk nicht mehr singe, sei es ein Zeichen, dass er genug gesungen habe, man hätte ihnen noch den vom vorigen Jahre zu zahlen:
"Se nol pol cantar pù,
L' è segn, che l' ha cantà assà,
Che m' ave ancor da pagiar
Quel dell’ ann passà!"
Selbst die Trientiner und Roveredaner necken sich zuweilen mit dem gegenseitigen Spitznamen "fasoi" d. i. fagiuoli, Bohnen.
Auch an andern ähnlichen lustigen Geschichtchen ist kein Mangel, die manchmal so derb sind, dass sie bei der Delikatesse unserer Zeit es unthunlich machen, sie wieder zu geben. Ich weiss nicht, ob folgendes Geschichtchen, welches ich auch erzählen hörte, neu oder bekannt sei; es lautet sehr kurz: ,Eine Schnecke kroch zum ersten Stocke eines Hauses hinan und brauchte dazu sieben Jahre. Als sie oben war, fiel sie wieder herab und rief ärgerlich: "Verdammt die Eile, die ich gehabt habe!" Selbst das allbekannte Hebel'sche Geschichtchen vom "Oeffne dich, Beutelein — der Wirth will bezahlet sein!" kann man in Wälschtirol hören und das Reimsprüchlein dazu lautet — allerdings etwas schleppend —:
"Scarsellin, che sei de drio, trati avanti,
Che l' oste vol denari e non vol canti!"
Es sind dies Kleinigkeiten, aber gerade diese zeigen und beweisen am besten, dass Verschiedenheit der Sprache keine Scheidewand zwischen den Völkern bildet.
Schliesslich gelte noch die Bemerkung, dass bei der Erzählung von Märchen der wälsche Volksdialekt eine Leichtigkeit und Mannigfaltigkeit des Ausdruckes, eine Wärme, eiqe herzensvolle Naivetät entfaltet, welche man dahinter kaum suchen möchte. Die Märchenerzählung beginnt gewöhnlich mit ihrem: " Gh' era 'na volta..." oder "in questi anni antich gh' era 'na volta..." oder "Bisogn saèr, che gh'era 'na volta..." u. s. w. Unsere Verdopplung des erzählenden Zeitwortes, z. B. er ging und ging — er zog und zog — wird auch im Wälschen ähnlich wiedergegeben: camina, che te camina — tira che te tira u. s. w. Am Schlusse sind mehrfach Reimsprüche beliebt, wie z. B., wenn von Malzeiten die Rede ist:
"E i ha fat un past un pastom
E i non me ha dat gnanca 'n bocom;
Era sotta la tavola, che pestava 'l pever
E i non me ha dat gnanca 'n goz da bever u. s. w."
Eine ähnliche lautet :
"E i ha fat un past im pastom
E i non me ha dat gnanca ‘n boccom,
I m hia tira 'n oss en tella schena
Che l' è ancor qui, che 'l remena!" (weh thun).
Etwas variirend im Fassaner Dialekt:
"E dapô i ha fat 'n nôzô ô 'n nôzom
E una bella gran côna
E i mi a trat tel comedom (an den Ellbogen)
Un os, chô amô il me romôna!"
Schliesst das Märchen nicht mit Gastmälern und Hochzeiten, so ist folgender Schluss beliebt:
"Larga la foglia,
Stretta la via,
Contè la vostra,
Che ho contà la mia!"
Mit moralischen Sprüchen und Sentenzen schliessen die Märchen selten; das verstiesse fast gegen den heitern Charakter derselben. Sie sind vorzugsweise zur Unterhaltung, nicht zur Belehrung bestimmt, obwol man daraus lernen kann, wenn man nur lernen will.
Quelle: Märchen und Sagen aus Wälschtirol,
Ein Beitrag zur deutschen Sagenkunde, gesammelt von Christian Schneller,
Innsbruck 1867, Seite 181
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Helene Wallner, 2007.
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