V. Angane, Enguane, Eguane

Dieses Sagengebiet umfasst weibliche Wesen, welche im Allgemeinen als "strie" erscheinen und theils als Hexen, theils als wilde oder selige Weiblein aufgefasst werden. Bekannt ist meines Wissens der Name nur im Nonsberg und in Valsugana; in andern Thälern war bisher keine Spur zu finden. (Doch weiss auch Ab. Agostino dal Pozzo davon und sagt in seinem schon genannten Werke S. 140: "In Pedescala, einem Dorfe des Astico-Thales, nennt man die Fee Auguana, welche in dem nahen gegen den Astico ausmündenden Valdassa gewohnt haben soll u.s.w."  Prof. Don Azzolini bezeichnet in seinem Vocabolario vernacolo — italiano dei distretti Rovcretano eTrentino (Venedig 1856) S. 8 "aiguana“ als ein Wort, das man auf Einen anwende, der übermässig schreit und lärmt. Das Wort scheint aber bereits gänzlich verschollen zu sein, wie die Sage selbst. —)

In Nonsberg erzählt man von den A n g a n e und es herrscht die Vorstellung, es seien Hexen oder feenartige Wesen, welche vor dem Conizilium von Trient überall ihren nächtlichen Spuck trieben; seither seien sie gebannt worden. Davon folgende in mystische Allegorien auslaufende Sage.

Ein Mann hatte eine Frau und so oft er abends nach ihr zu Bette ging, bemerkte er immer, dass ihre Zöpfe aus dem Bette heraushingen und er legte sie oft hinein. Einmal kam ihm in den Sinn sich schlafend zu stellen und zu beobachten, was sie in der Nacht etwa thun möchte; denn das Heraushängen der Zöpfe erweckte in ihm Argwohn. Er that so; da bemerkte er, wie sie in der Nacht aufstand, eine Salbe nahm, sich salbte und sagte: "Meid Busch und Wald (schiva boschi e schiva selve)!" Dann war sie fort. Er stand auf, salbte sich ebenfalls, aber er verfehlte den Spruch und sagte dafür: "Fort durch Busch und Wald (passa boschi e passa selve)!" Da fuhr er auch fort, aber es ging durch Busch und Wald, so dass sein Gewand ganz zerrissen und Hände und Gesicht ganz zerkrazt aussahen. Er kam in einen grossen Palast, da waren viele Hexen und tanzten und seine Frau war auch dabei; als sie ihn aber sah, entfloh sie. Er eilte ihr nach hinaus und sah einen Palast, der hatte so viele Fenster, dass er der Lust sie zu zählen nicht wiederstehen konnte; es waren deren aber gerade 365. Dann kam er auf eine schöne grüne Wiese, da standen sieben schöne und fette Kühe neben sieben magern und hässlichen. Sodann sah er einen Bienenstand; da flogen die Bienen immer aus den Körben heraus und ein wenig aufwärts, wurden aber wie durch eine unsichtbare Gewalt immer wieder in den Korb zurückgetrieben. So kam der Mann endlich nach Hause. Sogleich ging er zum Geistlichen und erzählte ihm was er gesehen habe. Derselbe erklärte ihm die Sache so: "Der Palast, mit den 365 Fenstern bedeutet das Jahr und die Fenster sind die Tage.   Die schöne grüne Wiese bedeutet die hl. Kirche; obwol Christus für alle gestorben ist, gibt es doch auch böse Menschen, welche die Gnade nicht benützen. Diese sind durch die sieben magern Kühe angedeutet; die sieben fetten aber bedeuten die guten Menschen. Die Bienen endlich sind die armen Seelen, diese wollen immer zum Himmel, aber sie können nicht, ehe sie nicht rein sind."

So erklärte der Geistliche; der Mann aber hat von seiner Frau nie mehr das Geringste gesehen und ist ihm darum nicht leid gewesen. (Cloz im Nonsberg).

Eine viel mildere poetische Färbung hat die Sage in Valsugana, wo sie wie die Beatriksagen, besonders in den Bergen von Ronchi und Roncegno noch lebendig ist. Der Name lautet dort Enguane oder Eguane; es sind nach dortiger Vorstellung theils junge und schöne, theils alte und runzlige weibliche Wesen milden Charakters, denen man bisweilen sogar einen König gibt, unter welchem sie stehen. Sie wohnen in Höhlen, welche von Wäldern, Wiesen und Quellen umgeben sind. (Solche Eguane-Höhlen soll es ober dem Weiler dei Pacheri, dann in höher gelegenen Brggegenden, Namens Sasso rotto und sette laghi geben. Die Identität dieser Wesen mit den seligen Fräulein in Deutschtirol u. s. w. ist wol unbezweifelbar troz des verschiedenen Namens; vgl. hierüber Zingerle Sagen Nrn. 47 u. ff.; Vonbun S. 4, 12, 13;
Schönwerth II. S. 366; Panzer II. S. 49, 197, 570.)

Ihre Beschäftigung besteht im Waschen besonders des Garnes, welches von ihnen gesponnen wird. Der Beatrik ist, wie schon oben bemerkt wurde, ihr erbitterter Feind; er zerreisst sie, wenn ihm eine in die Hände fällt; über ihre Wohnung aber hat er keine Gewalt. Sie lassen sich besonders bei der Morgen- und Abenddämmerung sehen. Sie sind wolwollend gegen die Menschen, besonders gegen junge Leute; ihr Glückswunsch verheisst sicheres Glück, aber weh dem, der sie beleidigt. Ihre Verwünschungen bringen Unheil. Wenn sie den Menschen etwas schenken, so dauert es immer fort, z. B. der Faden, das Garn u. s. w., welches sie geben, geht nie aus.

Auf die Enguane beziehen sich folgende Sagen:

Quelle: Chrsitian Schneller, Märchen und Sagen aus Wälschtirol, Innsbruck 1867, S. 215
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Helene Wallner, 2007.
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