Das Alter des Bergregales der Tiroler Landesfürsten.


Von Professor Otto Stolz.
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Aus dem Aufsatz „Die ersten Rechtsgrundlagen des Schwazer Bergbaues", den Dr. Ludwig Knapp im ersten Hefte der „Tiroler Heimatblätter" von 1932, Seite 14 ff., veröffentlichte, kann ein Leser, der in die Sache nicht von vornherein eingeweiht ist, den Eindruck gewinnen, daß die Tiroler Landesfürsten erst unter Herzog Friedrich (1410 — 1439) das Bergregal, d. h. die Hoheit über das Bergwerkswesen in ihrem Lande, zur Geltung gebracht und voll ausgebildet hätten. Eine solche Auffassung wäre nun nicht richtig. Ich habe diese Frage vor kurzem in einer längeren Abhandlung „Die Anfänge des Bergrechtes und Bergbaues in Tirol“ im 48. Bande der Zeitschrift für Rechtsgeschichte, germanistische Abteilung (1928), Seite 207 bis 263, an der Hand der einschlägigen Urkunden eingehend behandelt und möchte daher auf ihre Hauptergebnisse hier kurz hinweisen.

Das Bergwerksregal oder auch kurz Bergregal, d. i. das Hoheitsrecht, den Betrieb von Bergwerken an einzelne Unternehmer oder Gesellschaften von solchen gegen Leistung gewisser Abgaben und losgelöst vom Grundeigentum zu verleihen, stand im früheren Mittelalter in Deutschland allgemein dem König und Kaiser zu, im späteren 12. und im 13. Jahrhundert haben diese aber mit anderen Hoheitsrechten auch das Bergregal den damals sich entwickelnden Landesherren übertragen, so auch an die Bischöfe von Trient und Brixen in den Jahren 1189 und 1214. Aus dieser Zeit ist bereits eine Aufzeichnung über das Bergrecht für die Silbergruben bei Trient erhalten, das den dortigen Bischof im Besitz des Bergregals gegenüber den Gewerken zeigt, übrigens im lateinischen Wortlaut zahlreiche deutsche Fachausdrucke enthält, was auf die deutsche Herkunft jener Bergleute im sonst romanischen Lande hinweist.

Die weltlichen Grafen, die von den Bischöfen mit der Vogtei und der Ausübung der Grafschaftsgewalt in ihrem Gebiete belehnt wurden, hatten schon damals Bergwerke in eigenem Besitz, so die Grafen von Tirol und Eppan laut Urkunde von 1189 und die Grafen von Greifenstein, damals Vögte von Brixen, laut Urkunde von 1162. Möglicherweise hängen diese ältesten Bergwerksrechte der Grafen mit ihrem grundherrlichen Besitz zusammen und sind noch nicht als ein allgemeines Hoheitsrecht derselben zu betrachten. Als aber seit der Mitte des 13. Jahrhunderts die Grafen von Tirol eigentliche Landesherren und bald hernach auch Landesfürsten im Etsch- und im Inntale, eben in der Grafschaft Tirol, geworden waren und in diesem Gebiete die alleinige Landeshoheit errungen hatten, da haben sie neben anderen Hoheitsrechten, die sonst mit dieser Würde und Gewalt verbunden waren, auch das Bergregal für sich in Anspruch genommen. Eine ausdrückliche Verleihung dieses Regals durch den deutschen König oder Kaiser an die Grafen von Tirol ist zwar nicht überliefert, wohl auch nicht erfolgt, denn eine solche Urkunde wäre wohl wegen ihrer Wichtigkeit nicht in Vergessenheit geraten. Da die Grafen von Tirol ihre landesfürstliche Gewalt auf die ältere Stellung der Bischöfe von Brixen und Trient als Reichs- und Territorialfürsten aufbauten und von ihr herleiteten, konnten sie ja auch die kaiserliche Verleihung des Bergregales an diese auf sich beziehen.

Die Saline, zuerst — von 1230 bis 1260 — mit dem Standorte in Thaur und nachher in Hall, und das Salzbergwerk standen damals tatsächlich im Obereigentum der Grafen von Tirol, die einzelnen Abbaurechte, sogenannten Schläge am Salzberg waren von ihnen an Gewerke zu Lehen ausgetan, die Verwaltung des Pfannhauses nachweisbar seit 1280 unter einem landesfürstlichen Beamten, dem Salzmaier, vereinheitlicht, entweder diesem kurzfristig zu Pacht gegeben oder auf direkte Verrechnung gegenüber der landesfürstlichen Kammer verliehen. Der Ertrag der Saline machte um das Jahr 1300 mit 1000 Mark Berner laut einer Gesamtübersicht der Einnahmen der Grafschaft Tirol ein Zehntel derselben aus. Das landesfürstliche Regal war also für das Salzwesen in Tirol in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts und natürlich auch später zu voller Geltung gebracht.

(F. Bastian gibt in seinem 1931 erschienenen Buche „Oberdeutsche Kaufleute in Tirol“, S. 43, eine genaue Übersicht über den Ertrag des Haller Salzwerkes für die landesfürstliche Kammer von 1287 bis 1328, wornach derselbe von 1200 bis 2200 Mark jährlich schwankt.)

Hinsichtlich des Bergbaues auf Erze haben wir aus der Zeit um 1290 eine sichere Nachricht, daß damals auf Rechnung der landesfürstlichen Kammer im Gebiete des Gerichtes Sterzing auf Silber gegraben wurde. Aus der Zeit von 1310 bis 1360 sind acht Urkunden überliefert, laut deren der Landesfürst von Tirol das Recht, in bestimmten örtlichen Bereichen auf Erze, namentlich Eisen und Silber, zu graben, an private Unternehmer, meist kleine Gesellschaften, verliehen hat. Drei dieser Urkunden beziehen sich auf das Unterengadin und Münstertal, die damals noch zur Grafschaft Tirol gehörten, eine auf das Gericht Landeck, eine auf Sulden im Vintschgau, eine auf Villanders im Eisacktal, eine auf das Gericht Persen (Pergine) bei Trient und eine auf das Wattental. Aus diesen Urkunden ergibt sich nun, daß damals das Bergregal der Tiroler Landesfürsten auch für Erzgewinnung in deren ganzem Gebiete unbedingt anerkannt war und auch ganz feste Formen in rechtlicher Hinsicht angenommen hat. Deren Grundzüge waren:

Das Recht, irgendwo im Lande ein Bergwerk zu eröffnen und zu betreiben, verleiht nur der Landesfürst. Das Besitzrecht der Gewerke an den Gruben ist ähnlich dem Lehensrecht geartet, daher dinglich und erblich. Die Bergwerksbesitzer dürfen ohne Behinderung der bisherigen Grundbesitzer alle Arbeiten durchführen, die zum Betriebe des Bergbaues notwendig sind, und auch Wasser und Holz, das sie hiezu bedürfen, an Ort und Stelle, wo es ihnen am nächsten liegt, in Anspruch nehmen. Dafür müssen sie dem Landesfürsten gewisse Abgaben leisten, ein Zehntel des gewonnenen Erzes, später die Frohn genannt, oder bei Eisenbergwerken auch gewisse Mengen des bereits verarbeiteten Eisens. Der Landesfürst stellte schon damals eigene Amtleute auf, die seine Rechte gegenüber den Gewerken zu wahren hatten, anderseits empfahl er die Bergwerke dem Schutz seiner Pfleger und Richter. In den Urkunden für die Silberbergwerke bei Villanders und Persen vom Jahre 1330 wird bestimmt, daß für deren Rechtsverhältnisse das Bergrecht von Kuttenberg in Böhmen zu gelten habe, woher die betreffenden Gewerke nach Tirol gekommen waren.

So war also das landesfürstliche Bergregal in Tirol im 14. Jahrhundert schon vollkommen ausgebildet, als seit Anfang des 15. Jahrhunderts die Bergbaue bei Schwaz und Sterzing durch die Auffindung neuer Erzlager eine ungeahnte Erweiterung erfuhren. Das Bergregal des Landesfürsten gewann dadurch sicherlich eine viel größere finanzielle Bedeutung als früher, aber rechtlich war es im Rahmen der landesfürstlichen Macht schon lange anerkannt. Die ersten Verleihbriefe für Bergbaue bei Schwaz sind jene aus dem Jahre 1427, die Knapp in seinem Aufsatze mitteilt und die bereits Ladurner im Archiv für Geschichte Tirols (1864), Band 1, Seite 316, vollinhaltlich veröffentlicht hat. Ladurner nennt das Statthaltereiarchiv Innsbruck als den Ort, wo er die Niederschriften dieser Verleihungen gefunden habe, merkwürdigerweise sind dieselben aber heute nicht mehr auffindbar. Bei der unbedingten Zuverlässigkeit Ladurners ist aber nicht zu zweifeln, daß seine Vorlagen auch in diesem Falle glaubwürdig gewesen sind. In diesen Verleihungen wird das Schladminger Bergrecht zu Grunde gelegt; offenbar hat damals in Tirol noch keine eingehende Aufzeichnung des hier geltenden Bergrechtes bestanden, wie dann seither gerade von Schwaz aus solche, und zwar die erste im Jahre 1449, angelegt worden sind. Die Herren von Freundsberg haben damals sich in der Tat über Benachteiligung ihrer Rechte als erbliche Gerichtsherren im Gebiete von Schwaz durch die Bergrichter und die Gewerke beschwert. Die von Knapp geäußerte Meinung, daß Herzog Friedrich den Freundsbergern die Anerkennung seines Bergregals damals erst habe abringen müssen, geht aber weit über das hinaus, was jene Beschwerden erschließen lassen. Die Herren von Freundsberg haben dann auch bald (1467) ihre Rechte auf das Gericht Schwaz dem Landesfürsten käuflich abgetreten. (Vgl. Stolz, Landesbeschreibung von Tirol, Archiv für österreichische Geschichte, Band 107, Seite 807 f.)

Wenn auch das Schwazer Bergwerk erst in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts den Aufstieg zu seiner bekannten Blüte angetreten hat, so muß doch schon lange vorher hier auf Erz gegraben worden sein. Denn bereits in einer Urkunde vom Jahre 1273 wird der Siedlungsname „Arzberg“ bei Schwaz erwähnt, und dieser kann wohl nur dann entstanden sein, wenn schon früher Bergbau auf Erz, wenigstens in gewissem Grade, betrieben worden ist. (Vgl. Stolz, Die Schwaighöfe in Tirol, Seite 114.)

Quelle: Otto Stolz, Das Alter des Bergregales der Tiroler Landesfürsten, in: Tiroler Heimatblätter, 10. Jahrgang, Heft 5/6, Mai/Juni 1932, S. 171 - 173.
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