§. 11. Aeußere Hauptmomente der Nordischen Sage.

Es ist hier nicht der Ort, die Unterschiede der Scandinavischen Recensionen unserer Sage genauer aus einander zu setzen, weshalb wir nur andeuten können. Die epischen Lieder der ältern Edda in ihrem zweiten Theil von Helde Hundingstödter, vom Tode Jaffners oder Brynhildurs Lied, Brynhildurs Weissagung oder Sigurdur's Lied, Brynhildurs Todesfarth [Todesfahrt], Gudruna's erstes und zweites Lied, Atli's Tod u. s. f. sind in der jüngeren Edda fast nur im Auszug. In der Nornagester Sage wird der Anfang mit Liedern von Gunnar und Gudruna gemacht und hieraus zu Sigurd und Brynhilde übergegangen. Zunächst stimmt mit ihnen die Volsungasaga überein, in welcher die Erzählung der Abstammung der Volsungen von den Göttern den Eingang macht.

Die von der jüngern Edda zusammengedrängten Hauptmomente sind im Auszuge folgende. Die Brüder Fofner (auch Fafnir) und Reigen erschlagen um des für ihren von Loki getödteten [getöteten] Bruder gegebenen Goldes willen ihren Vater Hreidmar und entzweien sich deshalb selbst miteinander. (Das Gold ist vom Gezwerg verflucht und dieser Fluch von Othin bekräftigt.) Reigen entflieht vor Fafner, welcher den Volsungen Sigurd Sigmundson erzieht, ihm das Schwert Gramm schmiedet und zum Morde Fofners anleitet, welcher auf Gnytaheide den Schatz in Schlangengestalt bewacht. Sigurd erschlägt Fofner und, seine verrätherische Absicht erkennend, Reigen (wie der Wilkinasaga den Schmidt Mimer). Hierauf bemächtigt er sich des Goldes und verlobt sich mit der Valkyrie Brynhildur (welche ihn die Magie lehrt und mit welcher er die Aslauga zeugt). Darauf kommt er zum König Giuki, dessen schwarzhaarige Sohne, Gunnar, Högni und Guttormur, sowohl Giukingar, als Nistungar heißen. Giuki's Gemalin, Grimhildur, macht ihn durch einen Trank Brynhildurs vergessen, wogegen er sich nun mit Gudrunur ihrer Tochter vermählt und für Gunnar Brynhildur erkämpft, auch in der ersten Nacht, mit ihr geschiedener Weise das Bett theilt. In einem Streit beider Frauen, Gudrunurs und Brynhildurs, beim Haarwaschen, entdeckt sich Sigurd's Größe und Brynhildur's Ueberlistung, weshalb diese nun mit Gunnar und Högni den Guttormur anstiftet, Sigurd im Schlaf zu tödten. Seinen Mörder theilt Sigurd durch das ihm nachgeworfene Schwert inmitten voneinander. Aber nach dem Morde ersticht sie sich selbst - denn sie hatte ihn zuerst geliebt. - Gudrunur ward hierauf an Brynhildur's Bruder, Atli, Budla's Sohn, vermählt, lud ihre Brüder zu sich und ließ Högni und Gunnar tödten, welche vor ihrem Wegzug aus der Heimath [Heimat] Fofners Schatz in den Rheinstrom versenkt hatten. Ja ihre eigenen Söhne tödtete Gudrunur, erschlug Atli, und verbrannte die ganze Halle, in welcher die Todtenfeier der Nibeungen begangen war. Hierauf wollte sie sich ertränken, aber die Fluthen [Fluten] trugen sie in das Land des Königs Jönakur, mit welchem sie drei Sohne Saurli, Hamdir und Erpur zeugte. Hier erzog sie auch ihre mit Sigurd erzeugte Tochter, die über Alles schöne Swanhildur, um welche der König Jormunrekur durch seinen Sohn Randver warb, aber argwöhnisch gemacht, ihn aufhängen ließ, weshalb er, den Trug entdeckend, Swanhildur unter die Hufe der Rosse zerstampfte. Gudrunur, ihre Tochter zu rächen, reizte ihre Söhne zum Tode Jormunrekurs, den sie aber nicht vollbrachten, sondern selbst zu Tode gesteinigt wurden. (Mit dem letzteren stimmt Saxo Grammaticus. L. VIII, 154 - 157. ziemlich überein.)

Den Inhalt der Wilkina- oder Niflungasaga und die wörtlich mit unsern Nibelungen übereinkommenden Stellen derselben findet man kurz angegeben in v. d. Hagen's Einleitung zu seiner dritten Ausgabe des Nibelungenliedes, (Breslau. 1820.) S. XVI - XVIII. Insbesondere ist darin Sigurds Jugendgeschichte weitläufig erzählt, so wie sein Kampf am Rhein mit den eilf [elf] Söhnen des Königs Isung aus Vertangenland, welchem Dietrich mit seinen Mannen, worunter auch Günther und Hagene, zu Hülfe kommt.

Der letzte Nachhall der alten Sage sind die Lieder auf den Faröerinseln, den Eddenliedern sich anschließend, ferner die Altschwedischen und Altdänischen Lieder von Dietrich und seinen Helden, vom Zwölfkampf und von Brunhilds und Sigfrids Tod. Das Lied von Chriemhilds Verrath [Verrath] an ihren Brüdern, Hagene und Volker haben wir in einer dreifachen Recension. (S. Studien v. Daub und Creuzer: W. Grimm über die Entstehung der altdeutschen Poesie. Bd. IV. 1808. 270 - 282.) Mit diesen Liedern stimmt die Chronik der Insel Hven, welche ihr Schauplatz ist, überein. Sie ist aus dem 15ten Jahrhundert. (S. v. d. Hagen's Anmerkungen. Frankfurt. 1824. S. 306 u. ff.)


Quelle: Das Heldenbuch und die Nibelungen, Karl Rosenkranz, Halle 1829, S. 15ff
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