St. Severin in Mautern.

Zur Zeit der großen Völkerwanderung predigte der heilige Severin auch in den Donaugegenden das Christentum.

Als die Bewohner von Faviana oder Mautein von seinem Glaubenseifer, seiner liebreichen Fürsorge gegen alle Armen sowie von den vielfachen Wundern hörten, so von ihm ausgingen, wandten sie sich einstmals in großer Bedrängnis an ihn um Hilfe. Lange Monate war nämlich während eines überaus strengen Winters die Donau festgefroren, hiedurch die Zufuhr abgeschnitten und so eine böse Hungersnot ausgebrochen. Der Heilige gab ihren Bitten nach, kam zu ihnen und flehte, nachdem sie Buße getan, zu Gott, daß er der Not ein Ende mache. Da löste sich des Stromes Eis und fuhr mit Gekrache zu Tal, auf dem Strome kamen Schiffe mit reichlichem Getreide und versorgten den Ort hinlänglich. Nur die ganz Armen waren, da sie kein Getreide zu kaufen vermochten, des leidigen Hungers nicht ledig. Eine reiche Witwe namens Prokula aber hielt, des Hamsters Beispiel nachahmend, der Lebensmittel die Fülle aufgespeichert und verborgen. Da stellte der Heilige, durch Gottes Eingebung von ihrem schwer sündhaften Tun in Kenntnis, sie öffentlich zur Rede, und hielt ihr ihre Übeltat so eindringlich vor, daß sie reuig in sich ging und ihre Vorräte unentgeltlich unter die Armen verteilte.

Unweit Faviana baute sich Severin eine arme Zelle aus Geäst und Rinden und lebte in ihr der Abtötung und dem Gebete zur Bekehrung der Völker. Der Ruf seiner Heiligkeit drang sogar über die Donau ins Land der Rugen. Als sich daher ihr Heerführer Odoaker zu einem Zuge gen Rom anschickte, gedachte er, obschon der Arianischen Irrlehre zugetan, sich für sein Vorhaben den Segen des Apostels zu erbitten.

Wie ein gemeiner Kriegsmann in schlechte Felle gehüllt, trat er, ob der Niedrigkeit der Decke sich tief bückend, in des heiligen Büßers Zelle. Dieser aber, da ihm der Herr die Gabe des Gesichtes verliehen, erkannte in dem unscheinbaren Fremdling sogleich den Fürsten und Eroberer und sprach ihn also an: "Gehe hin nach Italien! Jetzt bist du zwar nur mit dürftigen Fellen bekleidet, bald aber wirst du vielen reiche Spende geben."

St. Severins Weissagung erfüllte sich binnen wenig Jahren. Odoaker stieß den letzten römischen Kaiser Romulus Augustulus vom Throne und wurde so der erste germanische König des weströmischen Reiches. Dies geschah im Jahre 476 nach Christi Geburt. Aus besonderer Verehrung des heiligen Severin erwies er sich den papstgläubigen Christen als milder Schutzherr, ließ auch nach Severins seligem Ableben dessen heiligen Leichnam nach Neapel als seiner letzten Ruhestätte bringen.

Quelle: Wachausagen, Erzählt und allen Freunden der goldenen Wachau gewidmet von Josef Wichner. Krems an der Donau. [1920]. S. 80 - 82.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Lisa Lemberg, Jänner 2005.