24. [Eine Gräfin abgeholt]

Es war einmal eine Gräfin, eine gar böse Frau, die war zu einem Balle geladen. Sie wollte dabei recht schön erscheinen, und ließ sich von ihren Dienstmädchen ihre kostbarsten Kleider anziehen. Weil ihr diese aber gar nichts recht machten, so sekierte sie1) dieselben und schalt dabei, daß es ein Grausen war. Da rollte plötzlich ein Wagen daher, welcher vor ihrem Hause hielt. Aus demselben stieg ein Herr. Der gieng zur Gräfin hinauf und fragte sie, ob sie nicht mit ihm auf den Ball fahren wolle. Ihr war das gleich recht, und sie gieng mit ihm. Das Stubenmädchen gab ihrer Frau das Geleite bis zum Wagen, und kehrte dann wieder zurück. Bei der Thür stand aber die Hausmeisterin; die hatte bemerkt als der Herr in den Wagen einstieg, daß er Geißfüße habe, worüber sie sich nicht wenig entsetzte. Sie blieb stehen und schaute dem Wagen nach, als er fortfuhr. Da sah sie den Wagen plötzlich in die Lüfte hinauffahren, und sie fiel darüber in Ohnmacht. - Von der Gräfin aber hat kein Mensch mehr etwas vernommen.2)

1) Österreichisch st. leidwerken, necken.
2) Vergl. Vernaleken, Alpensagen Nr. 68


Nr. 19 bis 24 sind Jugenderinnerungen vom Schullehrer Wurth aus Trumau

Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 102
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.