I. Wassergeister
Der Wassermann ist in Österreich sehr bekannt. Es kommen mythische
Züge vor, die an die uralte Verwandtschaft des Elbenreiches mit dem
Todtenreiche erinnern. (Vergl. oben IV. 28 - 31; ferner Pfeiffers Germania
III. 2. 172 fg.; Grimm Myth. 462 fg.) Es finden sich weit mehr männliche
als weibliche Wassergeister; jene erscheinen weniger erlösungsbedürftig
als anderswo, dagegen durchgehends rachsüchtig. Ferner ist den Männern
das Vermögen, sich zu verwandeln, eigentümlich.
In Böhmen heißt der Wassergeist Hastrmann, und vor ihm werden
die Kinder von den besorgten Eltern gewarnt. Die Bösartigkeit des
Hastrmanns hat nach dem Volksglauben in Moldautein folgende Entstehung.
Als ein Theil der Engel sich gegen Gott empörte und ihm nicht gehorsam
sein wollte, entstund ein hartnäckiger Kampf, in welchem zuletzt
die Abtrünnigen doch besiegt wurden. Gott schleuderte sie aus den
Wolken herab auf die Erde und in die Hölle. An letzteren Ort kamen
die Teufel; diejenigen welche in die Wälder fielen, sind Waldmenschen
und Riesen geworden; jene welche Gott in wüste Gegenden verbannte,
wurden zu wilden Männern und Menschenfressern, die in den Gebirgen
zu Berggeistern, Zwergen, und endlich jene, die in das Wasser fielen,
zu Meerweibern und Wassermännern. In jedem Flusse oder Bache, in
jedem Teiche hält sich der Wassermann auf und zwar in jedem Gewässer
ein anderer. Es können in einem Flusse auch mehrere dieser Geister
sein, jedoch leben sie weit von einander entfernt und ohne gegenseitige
Hilfeleistung, denn sie hassen einander. Der Wassermann ist kein Freund
von Gesellschaften; er hat daher bei seinem Handwerke keine Gehilfen,
sondern er ist sich selbst alles, und der unumschränkte Beherrscher
des Wasserreiches.
Derjenige, welcher im Teiche lebt, hält sich im Schilfe auf, der
Fluß-Wassermann hingegen ist viel besser daran als der erstere,
denn man glaubt, daß er nicht im Wasser lebe sondern unter demselben,
wo sich eine andere Welt ausbreitet. Dort ist es nie Nacht und niemals
kalt; das Land ist ohne Berge und unfruchtbar, jedoch gibt es üppige
Wiesen und wunderschöne Auen In der Mitte derselben erhebt sich der
Kristallpalast, in dem der Wassermann allein wohnt. Dort hält er
die Seelen in Töpfen eingeschlossen.
Er ist aber keineswegs fortwährend auf sein Reich und das Wasser
beschränkt, sondern er hat auch die Macht auf der festen Erde zu
erscheinen, weil er die Fähigkeit hat, sich zu verwandeln. Trotzdem
läßt sich der Wassergeist selten in einem Dorfe sehen, da er
den Umgang mit Menschen meidet. Er kommt nur dann, wenn ihn die Noth [Not]
zwingt.
Den im Teiche lebenden denkt man sich mehr dem Thiere, als dem Menschen
ähnlich. Der Leib ist nackt und grün, der Kopf nach hinten mit
sehr langen Haaren von grasgrüner Farbe bedeckt. Die Augen gleichen
an Glanz und Farbe zwei funkelnden Smaragden. Der große Mund ist
mit spitzigen Zähnen besetzt, und die gestreckten Füße
wie auch die Hände sind mit krummen Krallen bewaffnet. Er sitzt im
Schilf, nicht weit vom Ufer entfert, und nur der Kopf ragt über dem
Wasser empor. Nur der Fluß-Wassermann erscheint auf der Erde, und
zwar in Gestalt eines mittelgroßen Mannes, in grüner Kleidung,
und mit grünen Haaren, ohne Kopfbedeckung. Sonst ist er ganz dem
Menschen ähnlich, es träufelt ihm aber fortwährend aus
der linken Rocktasche Wasser herab.
Die Art wie sie Menschen fangen ist verschieden. An den Ufern der Flüsse
und Bäche fährt der Wassergeist, als ein kleiner Knabe, einen
Wagen, der voll ist von bunten Bändern und Blumen, Mit diesen Dingen
lockt er die neugierigen Kinder herbei, und nachdem sie sich demselben
genaht, zieht er sie mit sich in's Wasser. Zuweilen hat er auch über
den Fluß ein Netz ausgespannt, welches so fein ist, daß man
es mit freiem Auge gar nicht sehen kann, und wer sich nun in dasselbe
verirrt, ist auf ewig verloren. Am Freitage ruht der Geist von der Arbeit
des Menschenfangens aus. Dieser Tag ist gleichsam der Feiertag des Wassermannes.
Keines der vielen Netze ist ausgespannt, um Beute zu erhaschen, sondern
alle sind eingezogen. Das grüne Männchen sitzt in dem hohen
Grase, und ist beschäftigt mit dem ausbessern derjenigen Netze, welche
im Laufe der Woche Schaden genommen haben. Wenn er mit dieser Arbeit fertig
ist, kämmt er seine langen, grünen Haare und wäscht und
reinigt sich. Sodann wirft er sich auf den Rasen, streckt alle viere aus
und schläft bald ein. So beschließt er seinen Ruhetag. Die
Leute sagen, daß am Freitage der Eingang in das Land des Wassermannes
geöffnet sei und nicht bewacht werde.(Aus Moldautein.)
Quelle:
Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken,
Wien 1859. S. 161ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.