Beleg 48 -50 [Von den Rauhnächten]

48. In Hieflau u. a. Orten Steiermarks feiert man die Christnacht, die Neujahrsnacht und die Nacht auf heil. drei Könige. Man bleibt diese Nächte hindurch auf, weihet die Zimmer und Ställe mit Weihwasser („Weichwasser“), und räuchert („raucht“) mit Weihrauch („Weichrauch“) 1). In der Dreikönigsnacht wird mit Kreide an alle Thüren das Zeichen geschrieben:


C † M †B

1) Über die Rauhnächte s, Weimar. Jahrb, II, 1. S.140.

49. In Nied. Österreich geschieht das ausräuchern der Zimmer, Ställe und sonstigen Räumlichkeiten und das besprengen derselben mit Weihwasser am Thomastage, am heil. Abende, am Sylvester- und drei Königstage nach dem Aveläuten. An diesen Tagen geht der Herr des Hauses zwischen sechs und sieben Uhr Abends mit einem Rauchfasse in der Hand zuerst in die Wohnzimmer, dann in die Stallungen, auf den Boden, in den Keller, und in die übrigen Räume des Hauses, räuchert sie aus, besprengt sie mit Weihwasser und steckt in ein jedes Gemach einige Palmzweige. Dabei spricht er Gebete, um damit die Hechsen und bösen Geister zu vertreiben.

50. Von den Loß- oder Rauhnächten glaubt man in Ober-Österreich, daß während derselben eine innigere Verbindung mit der Geisterwelt stattfinde und daß man in denselben die Zukunft erfahren könne. Zu den Rauhnächten gehören insbesondere die Thomasnacht (21. Dezember), die Mettennacht (24. Dezember) und die Nacht vor heiligen drei König (3. Jänner); von weniger Bedeutung ist die Sylvesternacht. Die Vorbereitungen eines solchen, der die Zukunft erfahren will, bestehen darin, daß er sich in der Früh, wie auch den ganzen Loßtag hindurch nicht wäscht, kein Kreuz macht, nichts betet, keine Kirche besucht, überhaupt von allen religiösen Dingen sich fern hält. Um nun die Zukunft erforschen zu können, wendet man verschiedene Mittel an, z. B. das Kreis stehen. Bei diesem macht einer aus Stroh oder mit einer Kette einen Kreis, und zwar auf einem Kreuzweg. Er muß sich, bevor die eilfte Stunde schlägt, mitten in den Kreis hineinstellen, wehe aber, wenn er sich, bevor die Geisterstunde verlaufen ist, daraus entfernt, denn er wäre eine Beute des Teufels. Dieser wird auch alles versuchen, einen aus dem Kreise herauszubringen. So erzählt man, daß einstens drei im Kreise gestanden sind. Kaum schlug die eilfte Stunde, so sehen sie schwerbeladene Getreide- und Heuwagen auf sich zukommen. Einer davon wollte schon aus dem Kreise springen, weil er sich fürchtete, und glaubte, sie fahren über ihn hinweg, doch die andern zwei hielten ihn auf. Als nun die Wagen zum Kreise kamen, verschwanden sie sammt den feuerschnaubenden Rossen, die sie zogen. Dann sahen sie mehrere Brautleute heran fahren, von welchen sie einige gut kannten und die ihnen winkten. Mit dem Schlag zwölf war alles vorbei und sie konnten wieder aus dem Kreise treten. Es gieng auch alles in Erfüllung. Das kommende Jahr war sehr fruchtbar. Die Brautleute, die sie gesehen hatten, hielten alle im Laufe des Jahres ihre Hochzeit. (Aus Ostermitting an der Salza.)

Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 344f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, Juni 2005.