70. [Der Feuermann]

In Effenberg (bei Komotau) erzählt man: Eines Abends kehrte ein Mann von einem entfernten Orte „Jerden"1) genannt, nach Eisenberg zurück und kam, als es oben im Schlosse 12 Uhr schlug, gerade zur „Pendlmühle", welche hart am Saume des Waldes am Ausgange einer Schlucht liegt. Als der Mann die Schloßuhr schlagen hörte, blieb er stehen, um die Schläge zu zählen. Sodann wollte er seinen Weg fortsetzen, und um eher im Schlosse anzukommen, lenkte er von der Straße ab und dem nahen Walde zu. — Da flammte es auf einmal licht auf und als der Mann aufmerksam nach dem Walde hinblickte, sah er am Saume desselben einen großen starken Mann, der „durch und durch" brannte. Doch konnte er seine Kleidung ganz gut unterscheiden. Er trug enge Hosen und einen Rock von rothem Sammet. Die Ärmel und der Brusttheil dieses Rockes hatten eine eigentümliche Form und waren geschlitzt. Auf dem Kopfe trug er eine breite schwarze Kappe, welche auf einer Seite emporstand und dort einen Federbusch hatte. Dieser Mann, dessen Kopf ganz feurig schien, stund regungslos am Rande des Waldes. Der Bauer, welcher wüste, daß es bei der Pendelmühle nicht richtig war, betrachtete mit Angst und Staunen diese Erscheinung. Er wußte nicht, ob er vorwärts oder zurück gehen sollte. Endlich entschloß er sich zu dem ersteren und schritt seines Weges fort. — Der feurige blieb lange Zeit unbeweglich stehen; auf einmal aber war er verschwunden und alles war finster. Kurze Zeit darauf sah der Bauer tief im Walde ein bläuliches Licht schimmern, ganz so wie das, welches den feurigen Mann eingehüllt hatte. Und dieses Licht bewegte sich langsam nach der Schlucht hin, wo es bald verschwand.2)

1) Der eigentliche Name ist „Georgenthal".
2) Dieser „Feuermann" deutet eher auf Wuotan, als auf die gewöhnliche Irrwischerscheinung.

Ein anderer Mann gieng in einer Nacht heim nach „Oberjerden"3). Da kam quer über die Felder herüber, vom Gebirge her, ein großer feuriger Mann, welcher sehr schnell gegen die Straße zulief. Von der andern Seite, vom Kumerer See herauf kam ebenfalls einer gelaufen. Dem Bauer wurde bei diesem Anblick etwas unheimlich zu Muthe und er lief schnell davon; doch als er sich wieder umsah, bemerkte er, daß die beiden feurigen Männer noch nicht zusammen gekommen waren, trotz dem, daß sie sehr schnell liefen. Nun faßte er wieder Muth und rannte fort. Da kam ihm ein Wagen entgegen, welcher mit vier schwarzen Pferden bespannt war. Der Kutscher hatte keinen Kopf und drinnen im Wagen saß ein feuriger Mann, welcher auch keinen Kopf hatte.4) Der Wagen rasete an dem Bauer vorbei, welcher in den Straßengraben geworfen wurde, ohne daß er wußte, wer ihm dieß gethan. Als er sich wieder erhob, bemerkte er eine kleine Strecke hinter sich die beiden feurigen Männer,

3) Obergeorgenthal, zum Unterschiede von Georgenthal.
4) Vergl. oben die Mythen über Wuotan und den Wagen.

Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 274ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, April 2005.