56. [Die Alraunwurzel]

Von dem Alter des Wortes Alraun handelt Grimm in der Myth. 376, 480, 1153. Vergl. Gr. deut. Sagen Nr. 83, 84. Wackernagel Littgesch. 13.

Das alte alrûn galt für die menschlich gestaltete Wurzel der mandragora (off. L. V. 1). Diese Alraunwurzel ist ein bekanntes Zaubermittel; man schnitt Figuren daraus und nannte diese Alraunen, Galgenmännlein, Heinzelmännchen, Pissedieb. Es muß im Mittelalter viel Aberglaube damit getrieben sein. 1) In H. Bocks Kreuterbuch (Straßb. 1560) S. 329 heißt es:

„Was die Landstreicher Tiriack vnd wurmkrämer von Alraun und Mandragora, wie die schwerlich zu bekommen und under den Galgen mit sorglicher mühe muß ausgegraben werden, schwetzen und liegen, hat man zwar vor langest auff den markten und dorfkirchweihen von solchen Leutten gehört. Darneben auch gesehen wie sie geschnitzte mennlin und weiblin feil hatten, welche bildtnussen auß der Wurzel Bryonia geschnitten werden, und so die selbige bildtnuß in eim heißen sand ein zeitlang verwaret werden, verwelken sie, uberkomen also durch Kunst ein andere gestalt, gleichsam sie also von natur gewachsen waren, darmit werden die einfältigen menschen überredet.“ etc..

Weil die Mandragora selten war, schnitt man (s. Höfer, Wörterb. der österr. Mundart 1, 23) aus der bryonia (Zaunrübe) Männchen, welche verborgene Dinge wissen und dem Besitzer Geld bringen sollten.

Die Alraun galt als Heilkraut. In der frauenlobes leiche (ed. Ettmüller) finden wir zwei Wirkungen: daz mich von senfte der alrûnen wart slafen (Fl. 10, 26); - berlîche bürde weichet (Frl. Ml. 15,2). In einem Kräuterbuche (Straßburg 1625) heißt es auch: „sie machet den Menschen schlaffen (S. 152); Alraun Rinden für der frawen Gemächt gehalten, bringt ihre Zeit und treibet auß ihre todte Geburt.“

1) Im 17. Jahrt, existierte ein Buch: Simplicissimi Galgen-Männlin, oder ausführlicher Bericht, woher man die s.g, Allräungen oder Geldmännlin bekommt und wie man ihrer warten und pflegen soll. Durch I. Fromschmidt von Hugenfelß. 1673 und 1684 (Gödeke, Grundriß 508).

Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 253f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, April 2005.