12. [Wasser in Wein]

In Nieder-Österreich (z. B. Amstetten u. a. O.) herrscht der Glaube, daß alle Brunnen in der heiligen Nacht um die zwölfte Stunde anstatt Wasser den besten Wein enthalten. Ein Knecht, der davon gehört hatte, wollte sich einen guten Tag machen und gieng daher um die zwölfte Stunde zum Brunnen und fing an zu schöpfen. Da erhielt er von unsichtbarer Hand eine so derbe Maulschelle, daß ihm hören und sehen vergieng.

Auch in Deutschböhmen glaubt man, daß sich in der Christnacht Wasser in Wein verwandle. Die haben's erfahren, welche absichtslos dazu gekommen sind. Ein Mädchen aber, welches in dieser Absicht um 12 Uhr an das Wasser gieng, und nachdem sie gekostet, ausrief: „Jetzt ist das Wasser Wein“, vernahm eine Stimme aus dem Wasser: "und dein Kopf ist mein". Nie hat man das Mädchen wieder gesehen.

Auf ähnliche Weist sind auch in Nieder-Österreich manche für ihren Frevel gestraft.

Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 290f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, Mai 2005.
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