Der verhexte Thaddä

Zu Tölz schafften zwei Brüder und Junggesellen in ihrer Färberei, der Thaddä und der Hieronymus Sonderer. Der ältere, der Thaddä, stand im besten Mannesalter, als ihn eine unerklärliche Sucht überfiel. Es war gerade, wie wenn ihm jemand die Brust zusammenschnürte. Allerhand Mittel wurden ihm verraten und er probierte sie der Reihe nach aus, aber nichts wollte helfen und das Übel wurde nur immer größer. Das dauerte acht Jahre. In einer Nacht, als er wieder nicht schlafen konnte vor Enge und Druck auf der Brust - es war im Jahre 1824 - kam ihm beim Sinnieren der Gedanke, jemand habe es ihm angewunschen. Am andern Morgen sagte er das seiner Schwester. Die bat den Kooperator Wagner um geistlichen Beistand für ihren Bruder. Der Herr bestellte den Kranken auf ein Uhr in den Pfarrhof, aber der Thaddä wollte jetzt auf einmal von geistlicher Hilfe nichts wissen. "Ich kann und darf nicht hingehen", sagte er hartnäckig, "niemand bringt mich hin." Endlich gab er doch nach.

Der Herr heißt ihn niedersitzen, fragt ihn nach der Krankheit, wie lang er das Übel schon spürt und so und fängt an zu benedizieren; er bekreuzt ihn mehrfach und murmelt seine Gebete. Lang rührt sich nichts, aber auf einmal packt es den ganzen Körper des Thaddä und hebt ihn vom Stuhl auf. Dabei fängt der Kranke an, mit einer ganz fremden, unnatürlichen Stimme zu toben und schreien und vermeint völlig ersticken zu müssen. Dann spürt er, wie es in die Zehen und Fingerspitzen hinausrückt. "Da muß es hinaus!" sagt der Kooperator und hört nicht auf mit beten und bendizieren. Wirklich zieht es hinaus, aber auf einmal ist es wieder da und so leicht viermal. Darauf geht der Thaddä ganz gut nach Haus, muß aber am zweiten und dritten Tag wieder kommen. Der Herr schaffte ihm auch an, daheim im Bett nachzuschauen. Wie er es auftrennte, war es voller Kränzl und Ringl, die aus den Federn gar künstlich zusammengedreht waren und an langen, roten Haaren hingen; dazu allerhand glänzende Sachen, Beindl und beidseitig angezündete Schwefelhölzer. Das klaubten sie alles sauber aus und brachten es in einem Sack mit Hobelscheiten in Beisein von zwei Männern auf die Wiehr beim Langgaißerer. Ganz verstohlen taten sie es bei der Nacht, aus Furcht vor einer gerichtlichen Anzeige. Dort zündeten sie den Sack an; aber erst, als sie Weihbrunn spritzten und Geweihtes hinzutaten, fing er nach langer Zeit an zu brennen. Was übrig blieb, warfen sie in die Isar. - Der Kooperator machte noch öfter auf seinen Gängen nach den Filialen Wackersberg und Fischbach im Färbergraben neben der Wackersberger Leiten und im Bürgerhölzl bei Hoheneck die Benediktionen über den Thaddä. Weil aber das Übel nicht auslassen wollte, schauten sie nach vierzehn Tagen noch einmal im Bett nach. Da fanden sie wieder vier oder fünf Hexenkränzl, mit roten Haaren zusammengebunden, und das andere war auch wie früher. Sie steckten alles samt den Federn in einen Farbensack und warfen ihn bei einem großen Sturm von der Brücke in die Isar.

Von der Zeit an war es mit dem Thaddä gut und fand sich auch nichts mehr in seinem neuen Bett, nachdem es der geistliche Herr auf Dreikönig mit Weihrauch und heiligen Sprüchen gesegnet hatte. Dafür ist aber bald darauf das Roß im Stall heimgesucht worden. Die ganze Nacht hat es gewütet und getobt und in der Früh ist ihm der Schweiß gelaufen wie ein Bach. Die Haare waren ihm seltsam ineinander verflochten und verfilzt, wie wenn es die Trud geritten hätte. Hat auch alles Räuchern und Anhängen von geweihten Sachen nichts geholfen.

Quelle: Sagen aus dem Isarwinkel, Willibald Schmidt, Bad Tölz, 1936, 1979;