Der Schloßeinsturz zu Tölz

Der Hauptpfleger im Schloß zu Tölz, der Graf von der Waal, war ein hochfahrender Herr. Der Hochmut und ein böses Herz plagten ihn und er plagte Mensch und Tier. Von vier Schimmeln ließ er sich ziehen und der Kutscher mußte sie in einem Trumm fort die Geißel schmecken lassen und antreiben, weil er selber keine Ruhe hatte. Die Bauern mußten ihm ungemessen frohnen und scharwerken und die Gerichtsuntertanen konnten ihm nie genug von ihrer Ernte auf den Kasten führen. Er trat mächtiger und herrischer auf wie sein Herr, der Kurfürst zu München. Nicht einmal vor Gott wollte er den Hut ziehen und mit allem Heiligen trieb er seinen Spott. Einmal, am Margarethentag, schickte er seine Ehehalten statt in die Kirche ins Heu. Eine alte Dirn, die schon lange auf dem Schloß arbeitete, nahm sich ein Herz und redete dem Pfleger ins Gewissen, doch an diesem Tag zur Heiligen um schönes Wetter beten zu lassen. Aber da kam sie gerade recht. Der Graf fuhr sie rauh an: "Was kümmert mich die Heuhexe?! Geht an euere Arbeit!" - In der Nacht ging unter Blitz und Donner ein furchtbarer Wolkenbruch über dem Isarwinkel nieder, wie man noch keinen erlebt hatte. Der Ellbach schwoll an, der Eglsee brach über seine Ufer und untergrub den ganzen Schloßberg. Um Mitternacht stürzten die Mauern der Burg zusammen.

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Der Graf Waal im kurfürstlichen Schloß zu Tölz war ein gottloser Mensch und hielt nichts von den Feiertagen. Am Maria-Achttag gingen seine Dienstboten mit dem Kreuz der Gaißacher nach der Mühlfeldkirche. Der Graf aber wollte nichts von der Heiligung des Tages wissen und wetterte über das ewige Klingelklangel der Turmglocken. Da kam eine arme Frau ins Schloß und mahnte den strengen Herrn: "Heut ist Feiertag!" - "Was für einer, du Faulenzerin?" schrie der Graf sie an. - "Ei, Maria-Achttag"! sagte die Fremde. "Warum nicht gar Maria-Neuner?!" höhnte der Gottlose und stieß die Alte zum Burgtor hinaus. - Auf die Nacht brach ein fürchterliches Wetter herein. Blitz und Donner konnten gar kein Ende mehr finden. Jetzt schimpfte der Graf nicht mehr über das Läuten der Glocken, aber sie hatten keine Macht wider den Zorn des Himmels. Dann ging ein Regen nieder, wie die ältesten Leute keinen dachten. Der Ellbach wurde ganz groß und riß das Schloß ein. Da war es mit der Herrlichkeit des Pflegers aus.

Quelle: Sagen aus dem Isarwinkel, Willibald Schmidt, Bad Tölz, 1936, 1979;