Verschniebene Almen

Wenn man von Lenggries gegen den Walchensee schaut, sieht man die verschniebene Alm. Früher hieß sie die Schönalm. Sie hatte die beste Lage weit und breit. Da wuchsen die kräftigsten Kräuter und die milchreichsten Gräser, fetter und süßer wie auf den schönsten Wiesen im Tal. Da kitzelte die Sennen und Sennerinnen der Übermut wegen der reichen Gottesgabe und sie wußten nicht mehr, wie sie mit ihr umgehen sollten. Das Wasser trieb ihnen den Rührbanzen und im Nichtstun kamen sie auf gottlosen Übermut. Musikanten mußten hinauf mit Trummel und Brummbaß, mit Dudelflöten und Blasblech. Da ging es hoch her mit Tanzen und Springen, wie wenn ewige Kirchweih war. Fässerweis ließen sie den Wein kommen und bewirteten damit die Jägerburschen. Den Kühen hingen sie Glocken von Silber an den Hals und vergoldeten ihnen die Hörner. Eine Kegelbahn haben sie angelegt, wo die Kegel von Butter, die Kugeln und das Laufbrett von Käs waren.

Da kam die Strafe Gottes über sie. In einer finsteren Nacht brach ein fürchterlicher Sturm herein, Schnee und Hagel überdeckte die ganze Alm. Heute noch ist sie immer verschneit und ist doch niedriger wie die anderen Berge.

*

Eine verschniebene Alm ist auch Fermersberg in der Riß. Weil es ihnen zu gut ging, haben die übermütigen Almleute die Böden und Stiegen ihrer Almhütte mit rundscheibigen Käsplatten ausgepflastert, die Fugen mit Butter verstrichen und auf der Gottesgabe getanzt. Tag und Nacht schepperte das Musikantenblech. In Milch haben sie gebadet und die Wannen voll dann ausgeschüttet, daß dem Gletscherwasser noch heute davon die Farbe geblieben ist. Als aber einmal ein Bettler anklopfte und um Milchlab bat seinen Hunger zu stillen, reichte ihm die Sennerin höhnisch einen Stein. Da sprach der Arme einen Fluch aus, daß die Alm verschnieben sein solle. Das ist sie noch heute. Ein wenig wird sie jetzt scheckig; aber erst, wenn der Stamm jener hochmütigen Almleute ganz ausgestorben ist, soll der Berg wieder aper werden.

Quelle: Sagen aus dem Isarwinkel, Willibald Schmidt, Bad Tölz, 1936, 1979;