209. Die Wunderhostie von Beningen.
Wenn man von Memmingen
nach dem drei Viertelstunden entfernten Beningen geht, kommt man eine
Strecke vor dem Dorfe an einer Kapelle vorbei, die man zum hochwürdigsten
Gut heißt und von der folgende Sage geht:
Vor Jahrhunderten, als noch Memmingen und die Umgegend katholisch waren, stand auf der Stelle eine Mühle, deren Besitzer aber mit dem Nachbarmüller in Hader und Streit lebte, weil dieser viel und er wenig zu mahlen hatte. Er beschloß daher, den verhaßten Nachbar um jeden Preis zu vertilgen, und verging sich in seinem Neide so weit, mit dem höchsten Gute Frevel zu treiben. Es war nämlich damals Glaube gewisser Leute, mit der heiligen Hostie vom grünen Donnerstag könne man besonderen Zauber treiben. So ging der Müller am grünen Donnerstag zur heiligen Kommunion, nahm aber heimlich die Hostie wieder aus dem Munde, wickelte sie in sein Sacktuch und trug sie heim. Am Abend desselbigen Tages begab er sich nun von Hause fort und hinterließ, er wolle diese Nacht wachen, wie Christus der Herr und Meister am Ölberge gewacht habe. Er ging aber zu der andern Mühle und warf den heiligen Leib in das "Gheu", wo man sonst die Frucht einschüttet, und von wo er zwischen die Mühlsteine gelangte. Kaum war dies geschehen, so rief deutlich eine Stimme dreimal:
"Mahl it, mahl it das höchste Gut!"
und das Mühlwerk stand wie mit einem Schlage still. Blut floß
an der Stelle, wo sonst das Mehl hervorkommt, heraus. Man untersuchte
nun die Sache und fand zwischen den Mühlsteinen die heilige Hostie
noch unversehrt. Im selbigen Augenblick stürzte aber die Mühle
des ruchlosen Frevlers mit Höllengekrach zusammen und versank mit
Mann und Maus in die Tiefe. Die Hostie ist aber mit Kreuz und Fahne von
der gesamten Geistlichkeit abgeholt worden nach Memmingen, wo man sie
in einer Monstranz aufbewahrte und verehrte, solange Memmingen katholisch
blieb. An der Stelle des Wunders wurde aber bald eine Kapelle erbaut,
die heute noch steht und "zum ewigen Gute" heißt. Die
Bilder aber, auf denen die ganze Geschichte dargestellt war, verbrachte
man später in die Klosterkirche nach Ottobeuren, wo sie heute noch
zu sehen sind.
Quelle: Allgäuer
Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter
des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München
1914, Nr. 209, S. 213 - 214.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, März 2005.