102. Wettermacher.
"Daß es früher Leute gab, die Wetter machen konnten, habe ich selbst einmal in meiner Jugend erfahren. Ich war nämlich - es sind schon mehr wie sechzig Jahre - im Kemptischen bei einem Bauern in Dienst. Da schickte dieser mich einmal an einem hellschönen Tage in den Wald hinaus zum Holzsuchen. Auf einmal kam aber von Wiggensbach her ein Wetter gezogen, und vor demselben sah ich auf der Landstraße einen fremden Mann einhergehen, der immer auf der Straße etwas aufschöpfte. Wie er näher kam, sah ich, daß er ein Tüchlein am Leibe angeheftet hatte. Darin hatte er drei "Schöpfkellen" (Schöpflöffel), eine kleine, eine größere und eine Schaumkölle mit lauter kleinen Löchlein. Nun fragte er mich, ob ich das Gewitter nicht fürchte, und gleich tat es einen fürchterlichen Donnerschlag, daß ich zusammenzuckte. Ich antwortete: "Nein, ich fürchte mich nicht," und nun ging der sonderbare Mann wieder weiter und fing an zu "schöpfen", und nun regnete es, was vom Himmel konnte, und je schneller er schöpfte, desto dichter war der Regen. Da sah ich wohl, daß der Mann ein Wettermacher war. Es war nur gut, daß er damals keine Kieselsteine auf der Straße aufschöpfte; denn dann wären Steine gekommen und hätte es alles "zusammengehagelt".
Ein solcher Wettermacher war auch einmal einem Fuhrmann, der es mir selbst
erzählt hat und ein rechtschaffener, glaubwürdiger Mann war,
aufgesessen. Auf einmal sagte der Mann, jetzt müsse er herab vom
Wagen, es werde doch gleich ein Wetter kommen. Er stieg ab und fing dann
kurz darauf an zu "schöpfen", und richtig regnete es auch
sofort. Als der Fuhrmann den Fremden später wieder traf, sagte ihm
dieser, wenn er damals Kies genommen hätte, so hätte es hageln
müssen, und ließ dadurch selbst erkennen, daß er ein
Wettermacher sei."
Quelle: Allgäuer
Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter
des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München
1914, Nr. 102, S. 110 - 111.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, März 2005.