284. Was die Walser herentgegen von den "Schwaben" erzählen.

"An einem Orte bei den Schwaben" ist einmal angesagt worden, daß der König zu der und der Zeit kommen werde. Darüber freute sich das ganze Dorf unbändig, und sie beschlossen, zum feierlichen Empfang sollte ihm der Bürgermeister und die ganze Gemeindeverwaltung entgegengehen. Diese machten sich auf den Weg und gingen auf die Anhöhe vor dem Dorfe zur Gemeindegrenze und warteten dort. Es war aber gerade ein recht heißer Tag, und da es lange dauerte, so schwitzten die Männer in ihren schwarzen Röcken ungemein und hätten sich gerne ein bißchen abgekühlt und erfrischt. Neben dem Wege aber war ein kleiner See, und so sagten sie: Der König kommt jetzt doch nicht gleich; wir wollen schnell ein Bad nehmen, einer kann ja weiter draußen Wacht stehen. Nun zogen sie ihre Kleider aus und gingen in das Wasser. Kaum waren sie aber recht drin, so kam der, den sie als Wachtposten ausgeschickt, schon herangesprungen und rief: Der König kommt! Und wirklich sah man schon den Vorreiter und das vierspännige Gefährte heranrennen. "Was tun wir jetzt?" sprach der Bürgermeister; "zum Kleideranziehen haben wir keine Zeit mehr; jetzt können wir's aber nicht mehr ändern und müssen uns halt aufstellen, wie wir sind. Der König ist ein milder und einsichtsvoller Herr, es wird schon gehen. Schaut nur auf mich; wie ich's mache, so macht ihr's alle auch!" Da sprangen sie alle heraus und stellten sich der Reihe nach auf. Wie nun der König daher kam, traf es sich, daß den Bürgermeister eine Brime (Bremse) an den Allerwertesten stach. Um diese abzuwehren, schlug er nun mit der flachen Hand an den gefährdeten Körperteil, daß es patschte. Die andern aber, die noch nie dabei gewesen, wo es recht vornehm herging, glaubten, das müßten sie nachmachen; denn das sei für diesen Fall die richtige Entschuldigungsform, und demzufolge taten sie, und da ging es an ein Patschen, daß bald die Rosse scheu geworden wären. Solcher Weise ist bei den Schwaben für diesmal der König empfangen worden.

2.

Die Schwaben fanden es für notwenig, für diesen sonderbaren Empfang am See beim König hernach eine besondere Entschuldigung vorzubringen. Keiner von der Gemeindeverwaltung aber glaubte die nötige Redegewandtheit zu besitzen, und darum sprach der Bürgermeister zu dem Ausschuß: "Wir haben im Dorf einen Metzger, der kann recht gut reden, der soll für uns sprechen." Dem stimmten sie alle bei, und sie ersuchten den Metzger um die Gefälligkeit, der auch zusagte.

Als sie nun bei der Audienz alle vorgelassen worden, trat der Metzger vor und sprach: "Majestät, ich bin der Metzger vom Dorfe, und diese da hinten" - hier wies er auf die Gemeindeväter - "sind alle meine Ochsen!"

Da hat der König recht gelacht und sie dann gnädig entlassen.

3.

Ein Walser begegnete einmal einem Schwaben, der eine Kräze (Tragkorb) auf dem Rücken trug. "Was hast du da drin," fragte der Walser, "daß du dich so abschleppen mußt?" "Käslaib," antwortete der Schwab; "wenn du errätst, wieviel es sind, so schenke ich dir alle sieben."


Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 284, S. 292ff.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, Februar 2005.