20. Der Socker zu Wolkenberg.

Zwischen Wilpolzried und Hochgreut stand ehedem die Burg Wolkenberg, die aber schon längst in Trümmer zerfallen ist. Hier hat sich in dem Gemäuer ein Geist, der Socker geheißen, "eingenistet". Seinen Lauf soll er hauptsächlich in dem unterirdischen Gange gehabt haben, der Wolkenberg seinerzeit mit Wagegg verband. Man hörte ihn oft in der Nacht schauerliche "Brüller ausstoßen" und sah ihn zuweilen Feuer ausspeien. Am ärgsten aber trieb er sein Unwesen im oberen Bauhof zu Wolkenberg. Dort ließ er oft nachts alles Vieh aus oder band zwei Kühe an ein- und dieselbe Kette, daß sie am Morgen fast erdrosselt waren. Auch sperrte er zuweilen alle Tennen- und Stadeltore angelweit auf und trieb sonst allerlei Unfug. Manchmal hörte man ihn im Tennen dreschen, und wenn man überhaupt die Drescher hatte, stellte er sich gegen Abend ein. Man sah ihn dann auf einem Dachbalken sitzen und die herabhängenden Füße schlänkeln. Dann hieß es gemeiniglich: Jetzt müssen wir zu dreschen aufhören und Feierabend machen, es ist der Socker schon da!

Lange Zeit litt es auf der "Gautsche" (Ruhebett) des Nachts niemanden; jedesmal kam "der Geist in den Socken" still dahergeschlichen und warf den Schlafenden herab, und auch hinter dem Ofen machte er sich oft vernehmlich, ohne daß man ihn jedoch dort jemals sehen konnte.

Jetzt hört man schon lange nichts mehr von ihm, aber noch vor wenigen Jahrzehnten schreckte man mit ihm die bösen Kinder und drohte ihnen: Der Socker kommt!

Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 20, S. 27 - 28.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, Februar 2005.