149. Die Herren zu Neunhofen.

Die Herren von Neunhofen besaßen vor alten Zeiten neun Höfe in dem gesegneten schwäbischen Allgäu: Ebenhofen, Ruderatshofen, Ummenhofen und andere, die in einem Umkreis von wenigen Stunden, ursprünglich wohl als Maier-Höfe bestanden, durch die Obsorge und Sparsamkeit der Besitzer aber im Verlauf der Jahre zu stattlichen Dörfern anwuchsen, wie sie noch heutigentags zu sehen sind. Die Herren waren angesehene Edelleute in der Gegend, und sie lebten ihrem Stande gemäß in Reichtum und Überfluß, den sie aber zur Vermehrung und Verbesserung ihres Einkommens wohl zu benutzen wußten. Aber den Vätern waren die Söhne nicht gleich; was jene mit Mühe und Sorge erworben, das vergeudeten diese in Leichtsinn und Übermut. Besonders war einer unter den Abkömmlingen, der, je mehr er Gelder verpraßte, desto mehr von den armen Leuten erpreßte. Es geht die Sage: Eine arme Witwe, Mutter von sieben Kindern, die er von Haus und Hof verjagt, habe eines Tages den Fluch über ihn und sein Geschlecht ausgesprochen. Und der Fluch ist auch mit der Zeit in Erfüllung gegangen. Denn die Nachkommen desselben, durch Unglücksfälle aller Art genötigt, mußten Gut um Gut verkaufen, so daß ihnen zuletzt nichts mehr verblieb. Und der letzte Herr von Neunhofen, der diesen Namen führte, starb in Kaufbeuren, wie es noch alte Leute dort wissen, auf einer Bank an offener Straße, arm und elend.

Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 149, S. 153.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, März 2005.