279. Das Mütterchen von der Längene.

Zwischen Weiler und Oberreute liegt etwa eine Viertelstunde vor dem letzteren Ort ein Einzelhof, der Längene heißt. Daneben befindet sich ein kegelförmiger, offenbar von Menschenhand umgebildeter und abgerundeter Hügel; auf dem soll ehemals ein Schloß gestanden sein.

Zur Zeit des Schwedenkrieges hatte es sich nun begeben, daß die Bevölkerung der ganzen Gegend von der Pest und "Siechenkrankheit" dahingerafft worden war. Nur auf der Längene war noch ein altes Mütterchen von 85 Jahren verschont geblieben. Das war überaus fromm, aber so gebrechlich und schwach, daß es sich allein den Lebensunterhalt nicht mehr verschaffen konnte und dem Hungertode nahe stand. In solch großer Not ward dem frommen Weible der Sage nach dadurch Hilfe, daß von dem nahen Schloßhügel "der Schloßgeist" oder "Berggeist" erschien und in dem Stübchen der Alten die Hand auf den Tisch drückte, wodurch sich eine Vertiefung einbrannte, die sich hernach mit wohlschmeckender Suppe füllte. Davon konnte nun das Mütterchen essen, soviel und solang es wollte; nie wurde es weniger, und so blieb das Weible am Leben und erreichte sogar ein Alter von fast hundert Jahren.


Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 279, S. 286f.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, Februar 2005.