133. Das Kind und die Schlange.

Zur Zeit, als Tiefenbach noch nicht vereinödet war, wohnte "im Dorf" ein Bauer, der eine Magd und ein Kind hatte. Wenn nun die Magd gerade zu arbeiten hatte, setzte sie das Kind in ihrer Nähe hin und dazu eine Schüssel voll "Milch und Brocken", daß das Kind davon essen könne und zufrieden und still bleibe. Alsbald kam jedesmal eine Schlange und aß mit, indem sie aus der Schüssel "lappte". Sie war aber gar nicht böse, und so fürchtete sich das Kind auch nicht vor ihr, wurde vielmehr ganz vertraut damit, und wenn es sah, daß sie immer nur von der Flüssigkeit lappte, schlug es das Tier nicht selten mit dem Löffel auf den Kopf und rief: "He! du Mock, friß ou Bock, it luddr Mill!" Die Schlange wurde aber davon nie zornig, und so ließ die Magd beide stets ruhig gewähren. Als sie nun später heiratete und man ihr am Hochzeitsmorgen die Zöpfe flocht, kamen die Angehörigen herein und meldeten, es sei eine Schlange draußen vor der Tür, und wolle immer herein. Die Braut zeigte sich darob gar nicht erschrocken, sagte vielmehr, man solle sie doch hereinlassen. Da öffnete man, und die Schlange kam herein, hatte ein wundernettes, funkelndes Krönlein auf dem Kopfe, kroch zur Braut hin und ihr auf "den Schoß", legte in denselben das Krönlein und verschwand wieder.

Die Braut besaß nun das Krönlein zu eigen und ward damit für ihr ganzes Leben reich und glücklich.

Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 133, S. 135 - 136.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, März 2005.