27. Hexe verwandelt sich in eine Fliege.

In das Walsertal kam vor noch nicht so grausig langer Zeit öfters ein altes Weiblein aus dem Bregenzerwalde, das zerrissene "Regendächer" sammelte und ausbesserte. Da kam sie auch einmal in ein Haus, wo das Weib allein in der Stube beim Sticken saß, und zu diesem fetzte sich nun die Alte hin um etwas auszuruhen. Es dauerte, wie gewöhnlich bei Weiberleuten, nicht lange, so waren beide im eifrigsten Heimgarten und sprachen über dies und das, und zuletzt kam die Rede gar noch auf die Hexenkünste und wie die Hexen allerlei Gestalten annehmen könnten. Dabei ließ die alte Bregenzerin immer deutlicher merken, daß sie selbst eine sei, ja sagte es zuletzt direkt heraus. Eben weil sie es aber selbst sagte, was sonst die Hexen nicht leicht tun, so wollte es die Walserin nicht glauben und sprach: "O, du bist sowenig eine Hexe wie ich!" "Dann muß ich dir schon ein Kunststücklein vormachen, daß du es glaubst; warte ein bißchen, und ich werde mich zu einer Fliege umwandeln!"

Richtig verschwand das Weiblein sogleich, und es dauerte gar nicht lange, so taumelte auf dem Stickstock der Walserin eine Fliege herum und konnte nur nicht recht auf die Füße kommen. Dann aber verschwand die Fliege, und alsbald saß die alte Hexe wieder neben ihr auf der Bank wie zuvor.

Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 27, S. 34 - 35.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, Februar 2005.