266. Die drei geistenden Brüder in Warth.

Im Wirtshause zu Warth auf dem Tannberg blieb einmal ein Handwerksbursche übernacht. Nachdem er schon lange geschlafen hatte, weckte ihn auf einmal ein Geräusch, und nun sah er, wie die Tür aufging und drei Männer hereintraten, von denen jeder ein Bündel Schriften unter dem Arme trug. Sie schritten einige Zeit im Zimmer herum, warfen dann die Schriften auf den Boden, und der erste sprach: "Es ist nicht recht," hierauf der zweite: "Es wird nicht recht," und endlich der dritte: "Es kann nicht recht werden." Zuletzt packte jedweder wieder seine Schriften, und traurig schritten sie zum Zimmer hinaus, ebenso unheimlich, wie sie gekommen waren. Der Handwerksbursche hatte sich seiner Lebtag nie so gefürchtet wie diesmal und erzählte am Morgen noch voller Schrecken, was er nachts gesehen hatte. Allein die Wirtsleute waren darob gar nicht erstaunt und sagten, die drei Männer kämen alle Nacht, und so seien sie dieselben schon so gewöhnt, daß sie vergessen hätten, ihn am Abend zum voraus darauf aufmerksam zu machen.

Die Wirtschaft soll aber in viel früherer Zeit einmal drei Brüdern gehört haben, und so glaubten viele, diese hätten sich damals durch Schriftenfälschung unrechtes Gut erworben, weshalb sie nach dem Tode hätten geisten müssen.



Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 266, S. 272f.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, Februar 2005.