137. Geist will erlöst werden.
Beim alten Hofmann in Pfronten, der ein überaus braver und christlicher
Mann war, klopfte einmal nachts etwas an das Fenster des Schlafzimmers
und weckte, und als der Hofmann aufstand und hinausschaute, hörte
er eine Stimme, er solle doch mitgehen; er dürfe nichts Böses
fürchten oder Schwieriges tun, nur dürfe er nicht reden. Er
werde eine große Kröte treffen, die ein Schlüsselchen
an einem rotseidenen Bande um den Hals trage; diesen Schlüssel solle
er ihr abnehmen, und dann werde sich das Weitere von selbst finden und
er darob gewiß reich und glücklich werden. Da merkte der alte
Hofmann, daß dies ein Geist sei, der erlöst werden möchte;
aber es "überkam ihn ein Schauer", daß er sich nicht
getraute mitzugehen und darum dem Geist die Bitte abschlug. Da fing dieser
zu weinen und zu jammern an und sagte, nun müsse er wieder hundert
Jahre warten, bis er jemand um Erlösung anrufen dürfe. Seufzend
und schluchzend entfernte er sich, indes der Hofmann seine Mutlosigkeit
und Furchtsamkeit bereute.
Quelle: Allgäuer
Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter
des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München
1914, Nr. 137, S. 138 - 139.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, März 2005.