59. Der Kettenmann bei Ehenbichl.

In den Auen oberhalb Ehenbichl gegen Rieden zu ging früher des Nachts häufig "der Kettenmann" um. Er trug unter dem Arme einen Pack Schriften und schleppte hinter sich auf dem Boden eine lange Kette nach, deren Gerassel man dann weithin vernahm. Gewöhnlich bog er nach einiger Zeit vom Wege ab und schritt dem Lech zu, wo er dann mit einem Male verschwand. Er war übrigens nicht allen Leuten sichtbar; manche sahen ihn, manche nicht. So kamen einmal nachts der alte Lutz und Fränzels Johann des Weges; der eine davon sah ihn deutlich und hörte das Kettengerassel, so daß ihm vor Schrecken die Haare zu Berge standen; der andere gewahrte von allem nichts und merkte nur, daß es sein Begleiter nicht recht hatte.

Über die Herkunft des Kettenmannes weiß man nichts, und in neuerer Zeit hat man ihn auch nicht mehr gesehen oder gehört, und so wird er wohl erlöst sein.

Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 59, S. 63 - 64.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, Februar 2005.