46. Drache im Urisee bei Reutte.

In der Nähe von Reutte befinden sich zwei Seen; der eine, der Urisee, liegt ober der Mühl auf einem Vorsprung des Dürrenberges, der andere jenseits des Tales auf einem Vorsprung der Gernspitze und heißt Frauensee.

Im ersteren haust ein Drache, der nachts zuweilen feurig hinüberfliegt zum jenseitigen Frauensee. Der Drache soll, wie einige behaupten, sieben Köpfe haben und sich zuweilen am sandigen Ufer sonnen; andere wollen schon gesehen haben, daß er aussah "auf eine Art wie ein geschundenes Roß".

An Stelle des Urisees stand vor Zeiten eine Schmiede, die gutes Erträgnis hatte. Leider aber war die Frau des Schmiedes eine Schlange und so gottvergessen, daß sie, als ihr Söhnchen einmal in den Straßenkot gefallen war, statt eines Tuches oder Schwammes frischgebackene Brotkrume nahm und es mit diesem abtrocknete und reinigte. Dadurch erzürnte die Schmiedsfrau den Himmel so sehr, daß die Schmiede versank und der See entstand, in dem nun die frevelhafte Frau als Drache Strafe und Pein erleidet.

Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 46, S. 55 - 56.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, Februar 2005.